Willi von Bellden - Wer anderen eine Grube gräbt ... (German Edition)
ein ordentliches Trinkgeld gegeben hatte, machten wir uns auf den Weg. Immer bergan!
Oben angekommen, mussten wir uns in eine lange Schlange einreihen. Gegen drei Uhr waren schon etliche Leute zum Festival unterwegs.
Nach vielen Minuten endlosen Wartens, hatte mein Herrchen die Nase endgültig voll. Ohne mit der Wimper zu zucken gingen wir einfach rechts an der Schlange vorbei, schnurstracks zum Kassenhäuschen. Die Anstehenden betrachteten uns mit konsternierten oder feindseligen Blicken, doch meinen Boss kümmerte das wenig.
„Hey Tanner, ... wie geht’s?“, begrüßte ihn ein junger Mann mit schwarzem Haar, der die Eintrittskarten verkaufte. „Geh einfach hinten durch! Du gehörst ja zum Team!“ Er zwinkerte mit dem rechten Auge, und Tanner klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.
Im Nu waren wir auf dem eigentlichen Festplatz. Überall tummelten sich Menschen, von denen insbesondere die Trachtengruppen ins Auge fielen.
Zum Teil von sehr weit hergekommen, trugen sie Gewänder und Waffen, die den antiken Vorbildern mehr oder weniger authentisch nachempfunden waren. Manche waren auch einfach nur peinlich. Ihre Klamotten und Spielzeugwaffen erinnerten eher an Faschingsaccessoires.
Hinzu kamen wahre Trauben Schaulustiger, die sich um die Stände mit den Schaustellern versammelt hatten. Dort wurden Einblicke in die keltische Handwerkskunst geboten, wie das Schmieden von Eisen, das Gerben von Fellen oder auch die Herstellung von Bögen. Wieder andere Stationen lockten mit Kampfkunsteinlagen. Dort droschen barbarisch anmutende Hobbykrieger wild aufeinander ein.
Wer’s mag, dachte ich, während ich Tanner durch das dichte Gewühl folgte. Hosenbein um Hosenbein strich an mir vorüber. Was für eine Aussicht! Wenn wenigstens Sommer gewesen wäre, und die Mädels ..., aber bei diesen Temperaturen, gab es nichts zu sehen. Ich hatte es ja gewusst!
Endlich erreichten wir eine halbwegs freie Fläche, wo ich erst einmal durchatmete. Ich sah, dass keine 30 Meter weiter eine Tribüne aufgebaut war. Eine Folkgruppe spielte und die rothaarige Sängerin trällerte ein Liedchen in einer Sprache, die ich nicht verstand.
Zu meinem Glück hielt sich die Lautstärke um diese Zeit noch in Grenzen. Erfahrungsgemäß drehten sie erst abends richtig auf. Das war für mich immer eine Qual gewesen, denn was die Zweibeiner als ‚laut’ bezeichnen, ist für meine Art infernalisch!!
Tanner zog mich hinter sich her, zu einem großen Zelt, in dem alles mit Schautafeln und Informationsmaterial zugepackt war.
„Siehst du, Willi, ...“, sprach er zu mir gewandt, „ ...die hab ich alle ganz alleine entworfen!“
Mit Stolz blickte er auf die übergroßen Tafeln aus witterungsbeständigem Material, die an den Zeltwänden aufgestellt waren. Ich betrachtete sie im Vorübergehen. Offenbar stammten sie noch aus den Jahren, als Tanner hier als Grabungsleiter arbeitete.
Hier und da grüßte er ein paar Leute, und ging dann zielstrebig zu einem Tisch, an dem ein älterer Herr vor Tausenden von Broschüren stand.
Sie begrüßten sich, und waren sofort in ein kurzweiliges Fachgespräch vertieft. Mich hatte man ganz vergessen, und zudem konnte ich mich nur dreißig Zentimeter weit bewegen, da Tanner die Leine fest in der Hand hielt. Frustriert machte ich mir mit einigen Flüchen Luft, denn von draußen strömten Gerüche herein, die in mir die Lust weckten, ein bisschen herumzustreifen. Bratwurst zum Beispiel!
Schicksalsergeben entfuhr ein tiefer Seufzer meiner Kehle. Krampfhaft überlegte ich, welche Alternative ich in der gegenwärtigen Lage hatte.
Mehr aus Frust, als aus wirklichem Interesse, fing ich an die Schautafeln etwas genauer zu betrachten.
Da soll noch mal einer sagen, dass Hunde nicht geschichtlich interessiert wären. Man muss nur Langeweile und Bewegungsunfähigkeit in eine Topf packen, und schon ist man dabei, sein Allgemeinwissen um ein beachtliches Spektrum zu erweitern. So erfuhr ich zum Beispiel, dass die frühen Kelten ihre Reichtümer lieber mit ins Grab nahmen, statt sie ihren Kindern zu vererben! Und auch, dass die späten Kelten offenbar den lieben langen Tag riesige Mauern errichteten, hinter denen sie sich verstecken konnten wenn es mal brenzlig wurde!
Oh, Sie fragen sich bestimmt, wieso Hunde lesen können? Viele meiner Artgenossen können es.
Ich zum Beispiel habe Lesen gelernt, als die Kinder in die ersten Klassen gingen. Anny oder Tanner machten mittags mit ihnen Hausaufgaben, und wer lag unter dem
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