Willi von Bellden - Wer anderen eine Grube gräbt ... (German Edition)
mit einem Ritual, das er nur selten ausübte. Aber dann, umso beflissener.
Mein Herrchen startete eine seiner gefürchteten Aufräum- und Putzattacken!
Dabei blieb kein Kissen auf dem anderen, keine zugemüllte Ecke blieb verschont, nicht einmal meine heimelige Schlafstatt war ein Tabu!
Los ging’s: Terrassentür auf, Aschenbecher ausleeren, Staubsaugen, Lüften, Mülleimer, Geschirr spülen, Tische abwischen und was sonst noch so anfiel.
Dann flog mein Körbchen auf die Terrasse den Garten, und wurde kräftig durchgeschüttelt.
Ziel- und Heimatlos tingelte ich im Garten umher, was sollte ich sonst tun?
Drinnen werkelte der Herr hektisch mit irgendwelchen Sprühflaschen und Lappen herum. Er machte nicht oft so gründlich sauber, aber wenn er mal dabei war, gab es Tote. Um es zu präzisieren, tote Bakterien.
Er rottete ganze Stämme von ihnen aus, führte so etwas wie einen Feldzug gegen sichtbare und unsichtbare Krabbelwesen.
Und genau so roch es auch. Kaum auszuhalten für meinen Geschmack.
Zu allem Überfluss hatte er sich einen besonders windigen Tag ausgesucht. Ich zitterte auf der Terrasse am ganzen Leib. Früher hatte mir die Kälte nicht so viel ausgemacht, aber sie wissen ja, man ist ja auch nicht mehr der Jüngste.
Als mein lieber Boss mit seinem Vernichtungsfeldzug am Ende war, und ich wieder an den warmen Specksteinofen durfte, war ich heilfroh. Ich liebte dieses warme Ding, das wir erst letzten Winter erstanden hatten. Heute kann ich mir ein Leben ohne den Ofen überhaupt nicht mehr vorstellen.
Tanner hatte ihn zwar erst vor einer Viertelstunde angefacht, doch er gab schon eine wohlige Wärme ab.
„Mensch, Willi, du bist doch kein Tropenexemplar ...!“, hörte ich Tanner sagen. „Ich habe noch nie einen Hund gesehen, der so empfindlich ist!“
Er schüttelte unverständig seinen Kopf. „Du musst mehr nach draußen, sonst verweichlichst du mir ganz. Irgendwann steckst du noch komplett im Ofen drin!“
Ich legte meinen Kopf auf die Pfoten, verdrehte die Augen und schloss sie wieder. Rutsch mir den Buckel runter, dachte ich. Du bist ja auch nicht gerade ein Frischluftfanatiker!
„Heute gehen wir aus, Willi!“, hörte ich ihn weiterreden.
„Nur wir zwei. Anny hatte ja keine Lust. Deshalb kippen wir uns heute mal richtig einen hinter die Binde!“
Ich persönlich hatte nicht die geringste Neigung, mir einen hinter die Binde zu kippen. Denn wenn Tanner dabei von „uns“ sprach, hieß das nichts anderes, als dass er seinen Spaß hatte, und ich gelangweilt zuschauen durfte.
„Freust du dich?“, quasselte er mir weiter die Ohren voll. „Wir lassen uns ein Taxi kommen und fahren zum Folk-Festival am Ringwall!“
Damit verschwand er zielstrebig im Badezimmer, wo er die nächste Stunde mit der Pflege seines holden Körpers und dem Singen von irischen Trinkliedern beschäftigt war.
Mein einziger Trost war, dass die Sonne doch noch herauszukommen schien. Der Tag versprach auf jeden Fall nicht so kalt zu werden, wie die Tage zuvor.
Als Tanner nach Stunden wieder erschien, gewaschen, gescheitelt und nach Rasierwasser stinkend, baute er sich gut gelaunt vor mir auf.
„Ecce Homo, Willi! Gefall ich dir?“
Von wegen ‚Sehet, welch ein Mensch’, dachte ich. Schaut hin, was für ein Idiot, passte da viel besser!
Mir war in diesem Moment durchaus bewusst, dass ich ihm Unrecht tat. Er benahm sich nicht alberner als sonst. Aber irgendwie ging er mir heute auf die Nerven. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ich wirklich überhaupt keine Lust hatte zu diesen keltophilen Schwachköpfen zu reisen, um meinem Herrn stundenlang beim Saufen mit seinen Kumpanen Gesellschaft zu leisten.
Ich wusste noch vom letzten Jahr, dass das Festival am Ringwall nichts anderes war, als ein Keltenfest, welches jedes Jahr im Sommer stattfindet. Der Rahmen war, witterungsbedingt, etwas kleiner, aber dafür spielten Folkgruppen aus aller Herren Länder Keltische Musik, oder das, was sie dafür hielten.
Meine Sache war das nicht! Aber Tanner mochte zumindest die Musik und das Keltenbräu. Mit den Schausteller- und Trachtengruppen hatte er, soweit ich wusste, auch nichts am Hut.
Schnell hatte er ein Taxi bestellt, und 15 Minuten später fuhren wir gemeinsam zum Ringwall nach Otzenhausen. Die Fahrt dauerte ein Weilchen und der Preis von 24 Euro war auch nicht ganz schlecht.
Der Taxifahrer ließ uns am Fuße des Dollberges heraus. Die restliche Strecke zur Festwiese würden wir laufen müssen. Nachdem Tanner
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