Willkommen im Land der Liebe
einsam.
Und voller Reue.
Nicht einmal Kalen Nuri, der blendend aussehende Scheich, war in der Lage gewesen, sie zu retten.
Alles, was sie empfunden hatte, alles, was sie sich erträumt hatte, war vorüber.
Plötzlich wurde die Stoffbahn, die als Tür diente, zurückgeschlagen. Grelles Sonnenlicht strömte herein, und Keira blinzelte, geblendet von der plötzlichen Helligkeit. Ein hochgewachsener, dünner bärtiger Mann betrat das Zelt.
In Windeseile stand Keira auf. Ihren Vater würde sie überall erkennen. Sie stürzte auf ihn zu und blieb dann abrupt vor ihm stehen. In den vergangenen sieben Jahren war er um zwanzig Jahre gealtert, wie sie erstaunt bemerkte. Er sah zerbrechlich aus, die Arme unter seiner einfachen jellaba waren dünn, sein Bart eher weiß als grau. „Dad.“
Ohne etwas zu sagen, sah er sie mit seinen ausgezehrten Gesichtszügen ausdruckslos an.
Ihre Augen brannten. Sie trat noch einen Schritt nach vorn und wusste dann nicht, was sie tun sollte. Im Lauf der Jahre waren sie einander fremd geworden. „Bist du krank gewesen?“
„Was hast du uns angetan?“, fragte er mit leiser Stimme,ohne auf ihre Frage einzugehen. „Hast du kein Schamgefühl?“
So heiß wie der sengende Wüstenwind glühte sein Zorn. Das hätte sie ahnen müssen. „Es tut mir leid.“
„Das bringt dir deine Ehre nicht zurück. Dass es dir leid tut, stellt meinen guten Namen nicht wieder her.“
Keira senkte den Kopf. Vielleicht, wenn sie ihren Vater aussprechen ließ, wenn er seine Wut herausließ …
„Das wird Konsequenzen haben, Tochter.“
„Werde ich bestraft werden?“
„Ja.“
Sie zwang sich, ruhig zu bleiben. „Was beabsichtigst du zu tun?“
„Es ist an Sidi Abizhaid, das zu entscheiden. Er war dein Verlobter.“
Unfähig, etwas zu sagen, starrte sie ihren Vater an.
„Auch über ihn hast du Schande gebracht. Du hast all unsere guten Namen zerstört. Alles, was in unserem Leben gut war.“
„Vater, tu das nicht, lass nicht ihn entscheiden.“
„Auch ich wäre nicht gnädiger.“
„Aber du bist mein Vater. Du hast mich von Geburt an geliebt.“
„Ich habe dich schon vor deiner Geburt geliebt. Ich habe dich schon geliebt, als du nicht mehr als ein Samen warst, eine Idee in meinem Kopf und dem deiner Mutter. Aber wir sind hier in Baraka, und dein Verlobter ist sehr mächtig. Er ist Politiker und niemand, den man ungestraft erniedrigt.“
Sie öffnete die Lippen, brachte aber keinen Ton heraus.
„Das ist nicht leicht für mich“, fuhr ihr Vater fort. „Ich habe die letzten drei Nächte mit Gebeten und Fasten verbracht. In den vergangenen drei Nächten habe ich Gott um Führung gebeten.“
„Dann hilf mir, Vater, beschütze mich.“
„Abizhaid fordert Vergeltung. Und die wird er bekommen,genau wie ich meine bekommen werde.“
„Du willst Rache? An wem?“ Aber sie kannte die Antwort schon. Zwischen ihrem Vater und Kalen herrschte keine Sympathie – sie konnten sich nicht ausstehen.
„Scheich Nuri wird büßen. Glaube nicht, dass nur du bestraft wirst.“ Nach diesen Worten verließ ihr Vater das Zelt.
Nachdem er gegangen war, stand Keira mit wild pochendem Herzen in der Mitte des Zelts und spürte, wie ihr Magen sich schmerzhaft zusammenzog.
Sie wusste, wie ihre Strafe aussehen würde. Zu gut kannte sie die Geschichten über andere Mädchen, die für ihr unmoralisches Verhalten bestraft worden waren.
Und was würde ihr Vater Kalen antun?
Den Gedanken weiterzuverfolgen, brachte sie nicht übers Herz, sie konnte und wollte sich Kalen nicht verletzt, verwundet oder leidend vorstellen.
Als Keira das Zelt verließ, versuchte niemand sie aufzuhalten. Auf dem Platz stand ein neues Zelt, größer und weitaus luxuriöser als ihres.
Das Zelt ihres Vaters.
Keira betrat sein Zelt, wo er sich gerade an einen Tisch setzte, auf dem seine Bücher und Papiere lagen.
„Dad.“
Sie hatte ihn erschreckt, und er zuckte zusammen. Wütend sah er sie an. „Was willst du hier? Ich habe dir nicht die Erlaubnis erteilt einzutreten.“
„Du darfst Scheich Nuri nichts tun.“ Keira baute sich direkt vor dem Stuhl ihres Vaters auf. „Er hat nichts Schlechtes getan.“
„Nichts Schlechtes? Er hat dich entehrt. Dir Gewalt angetan.“
„Das stimmt nicht. Er hat mich nie berührt.“
Ihr Vater verstummte und zog misstrauisch die Augenbrauen zusammen.
„Wir sind nie intim miteinander gewesen. Sicher, er hättedie Situation ausnützen können, aber das hat er nicht getan.“ Keira spürte,
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