Willkommen im Land der Liebe
wie sie rot wurde. „Er hat mich respektiert.“
Angeekelt fauchte Omar: „Kalen Nuri respektiert niemanden.“
„Aber er hat mich nicht angefasst“, wiederholte sie hartnäckig. „Er hat meine Unerfahrenheit respektiert.“
Ihr Vater zog die Stirn in tiefe Falten. „Du bist also immer noch Jungfrau?“
Jungfrau. Nein, Dad, wollte sie sagen, ich bin keine Jungfrau mehr, seit ich vergewaltigt wurde. Aber sie hatte noch nie über jene Nacht gesprochen, sondern den Kummer still in sich hineingefressen.
Sie war ruiniert.
Nicht mehr kostbar oder begehrenswert. Eine Frau ohne Wert.
Omar beugte sich vor und hielt sie am Kinn fest. „Ich habe dich gefragt, ob du immer noch Jungfrau bist?“
Was sollte sie sagen? Die Wahrheit, aber was war eigentlich die Wahrheit?
Damals war sie angefallen und nicht geliebt worden. Das war kein Sex gewesen, sondern Gewalt. Bis heute, mit dreiundzwanzig, hatte sie noch nie mit jemandem geschlafen, hatte nie die Zuneigung, Leidenschaft und Zärtlichkeit eines Liebhabers erfahren.
Ihre Augen brannten. Schmerz und Kummer drehten ihr das Herz um, und die Kränkung war so stark, dass sie fast weinte. „Ja“, erwiderte sie mit erstickter Stimme. „Ich bin noch Jungfrau.“
Vor Überraschung leuchteten die Augen ihres Vaters auf. „Bist du sicher?“
Sicher? War sie sicher, dass sie verletzt worden war? Sicher, dass sie vergewaltigt worden war? Sicher, dass sie nie geliebt worden war? „Ja.“
Sein Griff um ihr Kinn lockerte sich etwas. „Und wärst du bereit, dich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen?“Erschrocken hielt Keira die Luft an und versuchte, sich loszumachen. Doch ihr Vater hielt sie immer noch fest. „ Was?“
„Wenn du unschuldig bist …“
Sie war entsetzt, aber andererseits überraschte sein Vorschlag sie nicht. Schließlich waren sie in Baraka. „Mein Ehrenwort reicht dir nicht?“
„Wenn du noch unberührt bist, hast du nichts zu befürchten.“
„Ich befürchte auch nichts. Ich bin nur empört.“
„Es ist eine Frage der hshuma“ , erwiderte er und ließ sie endlich los.
Schande, wiederholte sie innerlich und trat einen Schritt zurück.
„Es ist wichtig, weil ich deinen guten Namen verteidigen und die Ehre der Familie retten will. Das ist die einzige Möglichkeit, die hshuma loszuwerden, die unseren guten Ruf beschmutzt hat.“
Keira fröstelte und trat noch einen Schritt zurück. Schützend verschränkte sie die Arme vor der Brust und versuchte nicht an das zu denken, was ihr Vater von ihr verlangte. „Und wenn ich mit einer ärztlichen Untersuchung einverstanden bin, wird dann auch Scheich Kalen Nuris Name wieder reingewaschen?“
„Das habe nicht ich zu entscheiden.“
„Warum nicht? Du hast doch gesagt, dass du derjenige bist, der eine Rechnung mit Scheich Kalen zu begleichen hat.“
Ihr Vater schnippte mit den Fingern. „Schluss jetzt! Du machst dir zu viele Gedanken um einen Mann, der sich zu wenig Sorgen um dich gemacht hat. Geh jetzt. Ich habe einiges zu erledigen und muss einen Arzt kommen lassen.“
Während Keira zu ihrem Zelt zurücktaumelte, hallten die Worte ihres Vaters in ihrem Kopf nach. Was hatte sie nur getan?
Wieso hatte sie gerade ihre Zustimmung gegeben?
Nichts und niemand konnte beweisen, dass sie noch Jungfrau war. Sie würde nie wieder eine Jungfrau sein.
Was hatte sie sich nur dabei gedacht, auf den Vorschlag ihres Vaters einzugehen? Langsam sank sie auf einen Berg aus Kissen in der Mitte ihres Zeltes.
Sie musste ihrem Vater die Wahrheit sagen. Ihm erklären, was passiert und wie es passiert war. Vielleicht würde er ihr vergeben.
Sie konnte schließlich immer noch Kinder bekommen.
Und sie hatte ihre Unschuld nicht wirklich verloren.
Aber es wäre nicht einfach, ihrem Vater das klarzumachen, da er so großen Wert auf ihre Reinheit und Unberührtheit legte. Und weil sein Ruf ihm mehr bedeutete als alles Gold der Welt.
Hshuma oder Schande – ein Vergehen, das es in dieser Form im Westen nicht gab. In Baraka gab es keine Schuldgefühle wie im Westen, sondern nur die Schande, wenn andere erfuhren, dass man etwas Falsches getan hatte. In Baraka ging es immer um Würde und Ehre.
Als Kalen an Bord seines Jets ging, um nach Baraka zu fliegen, besaß er alle Informationen, die er benötigte. Seine Kontakte waren zuverlässig und über jeden Zweifel erhaben. Schließlich war er ein Scheich, der zweitwichtigste Mann in Baraka, Abkömmling eines der ältesten Berberstämme. Und sein Berberblut kam
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