Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)
normal laute Stimme durchs ganze Haus hallen würde. Meistens redete ohnehin nur Lulu.
Während des restlichen Abends hatte sie anscheinend auf einem Tisch getanzt – nichts Besonderes, das gehört zu ihrem Standardrepertoire. Da Lulu anderweitig beschäftigt war, tanzte Laurent so temperamentvoll mit ihrer Mutter, dass Sues Füße angeschwollen waren. Am Sonntag konnte sie noch immer keine Schuhe anziehen. Um ein Uhr nachts hatte Dennis mit Bodders und Dusty ein Whisky-Wettsaufen ausgefochten. Danach war er der Einzige, der die Old Brewery ohne fremde Hilfe verließ. Dan und Emma stritten, und sie wollte davonstürmen. Aber er,
stets der Gentleman, bestand darauf, sie nach Hause zu bringen. Erst um acht Uhr morgens war er in das Haus in Brixton zurückgekehrt.
Schließlich fragte Lulu, was mit Randy los wäre, und ich behauptete, alles sei okay. Es widerstrebte mir, die ganze Story zu erzählen. Und da er mich so offensichtlich ignoriert, beginne ich an mir zu zweifeln. Bin ich zu prüde? Nicht dass ich mich jemals auf einen Dreier eingelassen hätte, schon gar nicht mit Dans Freundin. Aber was sagt Randys Wunsch nach etwas mehr Pepp – schon nach wenigen Wochen – über unsere Beziehung aus? Ich dachte, wir hätten die Rollen des vernünftigen Babysitters und des gefährlichen Halunken überwunden. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Langweile ich ihn? Wie auch immer – Lulu hat mindestens zwei Dreier hinter sich. Und obwohl sie seit ihrem letzten darauf verzichtet (»zu viel harte Arbeit, Harrison, zu viel von allem!«), wusste ich, dass sie mein instinktives Entsetzen über diese Idee nicht teilen würde.
Am Montagmorgen um sieben erscheint Wade, um mit Randy zu trainieren, und ich verlasse das Haus um acht. Für ein Jogging oder ein richtiges Frühstück fehlt mir wegen der ständigen Hektik im Büro die Zeit. Unterwegs kaufe ich zwei Becher Kaffee, weil ich annehme, Camilla wird vor mir zu arbeiten anfangen, so wie in der ganzen letzten Woche.
Aber als ich in ihr Büro schaue, sitzt Jemima am Schreibtisch. »Lizzy«, sagt sie tonlos und blickt von einigen Papieren auf, ohne die geringste Verlegenheit, obwohl ich sie um acht Uhr in der Domäne ihrer Partnerin antreffe. Offensichtlich hat sie mich erwartet. »Camilla muss kurzfristig an einem Geschäftsfrühstück teilnehmen. Sie hat mich
vorhin angerufen, und es wird sie sicher nicht stören, wenn ich ihren Kaffee trinke«, fügt sie hinzu und streckt ihre rot lackierten Krallen nach mir aus.
»Okay...«, stimme ich zögernd zu, stelle den Pappbecher auf den Tisch und schiebe ihn zu ihr herüber, so vorsichtig, wie ich ihn einer gemeingefährlichen Irren aushändigen würde, die meine ganze Familie in Geiselhaft genommen hat. Bloß keine abrupten Bewegungen, keine Angst zeigen, einfach mitspielen.
»Setz dich.« Jemima nippt an dem Kaffee und verzieht das Gesicht. »Cappuccino? Vollmilch?«
»Nichts zu danken«, erwidere ich honigsüß.
Sie lächelt verkniffen. »Gerade eben ist mir aufgefallen, wie lange wir uns nicht mehr unterhalten haben. In letzter Zeit warst du mit – anderen Dingen beschäftigt.«
»Ja, und alles läuft bestens.« Mit beiden Händen umklammere ich meinen Kaffeebecher, falls ich ihn brauche. Vielleicht muss ich ihn in Jemimas Gesicht werfen, um sie abzulenken, wenn sie sich in wahnwitziger Wut auf mich stürzt. Was will sie?
»Welchen Eindruck hast du von Camilla gewonnen?« Mit einem seltsamen Glitzern in den Augen beugt sie sich vor.
Zeig der gemeingefährlichen Irren nicht, dass du Angst hast, bleib ganz ruhig. »Oh, sie ist einfach großartig, Jemima. Sie hat alles im Griff. Randys Gala wird sicher ein gigantischer Triumph.«
»Und hat sie – hat sie gesagt, was danach passiert?« Jemima dreht den Pappbecher zwischen ihren Händen hin und her, als wäre er der Hals eines kleinen Vogels, den sie zu erdrosseln versucht. Halb und halb erwarte ich ein hysterisches Gelächter.
»Danach?« Ich verstehe nicht, was sie meint. »Wenn Randys US-Tournee anfängt? Nun, ich nehme an, dass wir ihn dann in die Obhut der amerikanischen Promoter geben, und die sollen sich zur Abwechslung um ihn kümmern.«
An die Zukunft habe ich noch nicht gedacht. Alles, was mit Randy und Camilla zusammenhing, war spontan und unmittelbar geschehen. Deshalb war mir die Frage, wie sich die Dinge nach der Gala in der Royal Festival Hall entwickeln würden, gar nicht in den Sinn gekommen. Aber Jemima hat einen wichtigen Punkt erwähnt –
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