Willkommen im Wahnsinn: Roman (German Edition)
denn er hat seiner richtigen Mutter eine Karte verweigert, wegen des »Geredes«. Vielleicht dachte er, Nina wäre aus härterem Holz geschnitzt. Ich beobachtete, wie sie sich niederlässt und eine große Kekspackung aus ihrer Handtasche nimmt, die sie ihren verwunderten Sitznachbarn hinhält. Lächelnd überlasse ich sie ihrem Schicksal.
In der Gästelounge liegt Camilla auf einem Sofa, die Augen geschlossen, das Haar hinter ihrem Kopf ausgebreitet. Ihre Schuhe stehen am Boden.
»Bist du okay, Cam?«, frage ich.
»Aaah, stell bitte eine Schüssel Knabberkram auf den Boden, in meiner Reichweite«, murmelt sie, ohne sich aufzurichten. »Dann bin ich bald wieder topfit.«
»Ein Glas Wein?«
»Hmmm, eigentlich wollte ich erst später im Savoy Street Club etwas trinken. Aber ja, nur ein Glas. Mehr will man ohnehin nicht, wenn man dieses scheußliche Gesöff gekostet hat.«
Ich fülle zwei Gläser und stelle eins neben die Twiglet-Schüssel auf den Boden. Dann lege ich mich auf das andere Sofa und schließe die Augen. Von der Bühne dringt eine gedämpfte Stimme herüber. Jamie von African Vision kündigt Declan an, der zuerst auftreten wird. Alles läuft planmäßig, und ich seufze erleichtert auf.
»Prost, Camilla. Auf dich und Randy Jones’ Rehabilitation.«
Camilla schwingt ihre Beine über den Rand der Couch,
setzt sich auf und hebt ihr Glas in meine Richtung. »Auf uns, Lizzy. Dein Erfolg ist das genauso wie meiner. Ohne dich hätte ich es niemals geschafft.«
»Ach was«, flüstere ich – verlegen, aber glücklich. Klar, ich habe wie verrückt geschuftet – und unter dem Deckmantel meines Jobs eine leidenschaftliche Affäre angefangen. Aber das braucht Camilla nicht zu wissen.
»Das meine ich ernst«, betont sie. »Du warst toll. Vor allem, als ich – nun, als es am Anfang dieses Sommers ein bisschen chaotisch zuging. Hoffentlich habe ich nicht vergessen, dir zu danken. Für alles, was du getan hast.«
»Sei nicht albern, Camilla, du bedankst dich ständig bei mir. Außerdem bin ich deine Assistentin, und ich mache nur, wofür ich bezahlt werde.«
»Wenn das alles vorbei ist, müssen wir mal besprechen, was danach passieren wird.«
»Danach?«, wiederhole ich.
Schon wieder. Danach. In diesem Wort steckt alles, was ich aus meinen Gedanken verdrängt habe.
»Danach?«, ruft eine schrille Stimme von der Tür her. Camilla zuckt zusammen und schüttet Wein auf ihr Wickelkleid. Glücklicherweise habe ich den grässlichen italienischen Weißwein ausgesucht, nicht den grässlichen ungarischen Roten. Hastig nehme ich ein paar Papierservietten vom Tisch und bringe sie ihr.
Die Schultern gestrafft, marschiert Jemima zu Camilla, in einem gemusterten metallischen Kleid. Gewiss, ein hochmodisches Outfit – aber mit dem geometrischen Haarschnitt kombiniert, übt es eine beängstigende Wirkung aus. Mehr denn je erscheint sie mir wie ein emotionsloser Roboter. »Was passiert danach?«, kreischt sie.
»Gerade haben Lizzy und ich über die Party diskutiert, die wir nach der Show im Savoy Street Club geben.« Weil Camilla so aalglatt lügt, vergesse ich beinahe selbst, dass wir über etwas anderes gesprochen haben. »Lizzy glaubt, kleine Yorkshire-Puddings mit Roastbeef wären heutzutage hoffnungslos passé. Das finde ich nicht. Was meinst du?«
»Yorkshire-Pudding?«, zischt Jemima. Ihr Knopf schnellt zwischen Camilla und mir hin und her. »Ihr habt über Yorkshire-Pudding geredet? Hmph.« Dann macht sie auf dem Absatz kehrt, stelzt zum Tisch, schenkt sich ein Glas Rotwein ein und kostet ihn. »Großer Gott, was für ein Zeug ist denn das?«, stöhnt sie und schneidet eine Grimasse.
»Schrecklich, nicht wahr?« Ich nippe an meinem eigenen Glas. »Natürlich heben wir uns das Luxusbüfett für den Savoy Street auf.«
»Natürlich«, stimmt Jemima zu. »Wie viele Leute erwarten wir dort?«
»Auf der Gästeliste stehen hundertsiebenundfünfzig«, erkläre ich.
Wie ein glamourös gekleideter Geier macht sich Jemima über die Platte mit dem kalten Braten her. »Okay. Macht zusammen hundertsiebenundsechzig. Ich habe noch ein paar Leute eingeladen.«
Hinter ihrem Rücken wechsle ich einen Blick mit Camilla. Von diesen zusätzlichen Gästen hören wir zum ersten Mal.
»Hast du die Clubsekretärin über die Namen informiert, Jemima?«, fragt Camilla in ruhigem Ton. »Wie du weißt, ist das ein Privatclub. Es werden nur namentlich bekannte Gäste eingelassen.«
»Warum hätte ich das tun sollen?« Jemima dreht
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