Willkommen in der Wirklichkeit
Haut grau wurde, ihr Fleisch sich vom Schädel abschälte, die Kleidung um plötzlich hager gewordene Körper schlotterte. Sie sahen aus wie die Zeichnungen von Ghouls in den alten EC-Horror-Comics.
»Ich begreife nicht, warum Sie dieses Rindvieh so verzärteln«, sagte Miss Goodbody. »Wenn es nach mir ginge, hätte ich ihn schon vor einem Jahr gefeuert.«
Dorff musterte sie. Sie veränderte sich auf eine Art und Weise, auf die er noch nicht genau den Finger legen konnte. Manchmal verwandelte der Nebel die Menschen in Schweine-Wesen oder tentakelbewehrte Ungeheuer. Manchmal ließ er sie zu vormenschlichen, grobschlächtigen Gestalten werden. »Dieses ›Rindvieh‹, wie Sie ihn nennen«, sagte er kühl, »ist alles, was zwischen uns und dem Chaos steht. Er mag ja glauben, daß er im Jahr 1956 lebt, mit Eisenhower im Weißen Haus und Howdy Doody auf der Leinwand, doch er hat einen festeren Zugriff zur Realität als alle anderen, die ich kenne. Wissen Sie, wie viele Stornierungen es dieses Jahr hier in der Gegend gegeben hat? Keine. Die Hälfte der Leute ist sich nicht einmal des Problems voll bewußt. Um Himmels willen, sie glauben, daß so etwas nur in Kambodscha oder Nebraska oder sonstwo passiert.«
Der Nebel hüllte sich um Miss Goodbody. Sie beugte sich vor, eine schattenhafte, geheimnisvolle Gestalt. Ihre Augen waren zwei rotglühende Kohlen. »Sie brauchen ihn nicht«, sagte sie. »Lassen Sie ihn fallen. Schießen SSSie ihn in den Wind.« Sie beugte sich noch weiter vor, und ihr Atem war ein kalter Wind aus dem Grab. »Boten SSS ie ihn au sss . Rei ßßß en SSS ie den Leib auf und la ssss en SSS ie mich sss eine Eingeweide fre ssss en.«
»Das kommt überhaupt nicht in Frage, Miss Goodbody«, knurrte Dorff. Er deutete zur Tür. »Müssen Sie nicht noch ein paar Briefe schreiben?«
Als sie den Raum verlassen hatte, seufzte er, nahm die Brille ab und rieb den Nasenrücken mit den Fingern. Es ging alles zum Teufel, und er hatte nur noch Pankopf. Nach Philip Kingsleys Tod lastete die ganze Chose auf den Schultern eines einzigen, paranoiden kleinen Trottels.
Es klopfte an der Tür, und ein Roboter kam herein. »Ich habe diesen Gegenstand geholt, wie Sie es mir aufgetragen haben, Sir«, sagte er und legte einen Brief auf seinen Schreibtisch.
»Gut, gut.« Dorff warf einen Blick auf das Ding – noch ein Kündigungsschreiben. Er legte es zu den anderen in die Schreibtischschublade. »Wir sind zumindest noch für einen Tag gerettet.« Er blickte scharf auf. »Du bist nicht der Meinung, daß er die Nerven hat, persönlich zu kündigen, oder?«
»Nein, Sir«, sagte der Roboter. »Meiner wohlerwogenen Meinung zufolge wird er das nicht tun. Er hat kein ausgeprägtes Selbstvertrauen, und Sie sind eine Art Vaterfigur für ihn. Bevor er sich überwinden könnte, Ihnen von Angesicht zu Angesicht zu trotzen, müßte er erst einmal die inneren Qualen loswerden, unter denen er leidet.«
Schrecklich, dachte Dorff. Pankopf rettet die Welt, und ich sorge dafür, daß er ein verängstigter Neurotiker bleibt. Das ist meine Aufgabe. Sicherzustellen, daß er nicht soviel Rückgrat entwickelt, mir seinen beschissenen kleinen Job hinzuschmeißen.
Er entließ den Roboter. Er war hell und glänzend. Der Nebel schien auf Maschinen nicht die gleiche Wirkung zu haben wie auf Menschen. Vielleicht, weil sie anorganisches Leben darstellten und nicht dem unausweichlichen entropischen Verfall von Protoplasma unterworfen waren. Oder vielleicht, weil Menschen Zweifel und Schuld empfanden, während den Inorgs diese Begriffe fremd waren.
Es lohnte sich sicher, darüber einmal nachzudenken.
Doch als er den Schreibtisch öffnete, um noch einen Blick auf die Briefe zu werfen, hatten sie sich auf dem Boden der Schublade bereits in eine Art Knetmasse verwandelt. Mit einer bleichen Hand, die plötzlich leprös und dünn geworden war, schob Dorff die Schublade hastig zu. Der graue Nebel schloß sich um ihn herum.
Es wurde immer schwerer, alles zusammenzuhalten.
»Ich vermisse den alten Phil«, sagte Pankopf.
»Hast du nichts zu tun?« knurrte Milligan. Doch mit der Bereitschaft eines Iren für ein kleines Pläuschchen schob er seinen Stuhl vom Schreibtisch und lehnte sich zurück. Und das, obwohl er in fünfter Generation oder so Amerikaner war. »Ich habe Phil Karlton kaum gekannt. Er hat diese kleinen Reime für die Kaugummibeilagen geschrieben, genau wie du, nicht wahr?«
»Gummireime«, sagte Pankopf. »So nennen wir sie. Gummireime
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