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Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
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Ihr Gesicht zerbrach, verwandelte sich in eine lehmige Masse. Ihre Arme wurden zu Tentakeln, die zuckend sein Gesicht abtasteten und ihre feuchten Saugnäpfe an seiner Haut rieben.
    »Tessa!« schrie er.
    Ihr Körper verschwamm, pulsierte, verschmolz, dehnte sich aus und zog sich wieder zusammen. Er konnte durch das Gewebe hindurchsehen, erblickte schwarzverkrebste Eingeweide und explodierende Organe, ehe alles ineinanderfloß zu einem biologischen Inferno.
    Über allem lag der durchdringende Geruch von Lysol.
    Und von irgendwoher hörte er eine krächzende, unmenschliche Stimme, die seinem flehenden Schrei antwortete: »Ja, Kamerad Kendrick? Was ist mit dir?«
     
    Copyright © 1990 by Uwe Anton

 
Michael Bishop
Die Verwandlung
     
    DIE METAMORPHOSE DES PHILIP K.
    Als Philip K. erwachte, stellte er fest, daß er sich über Nacht aus einem körperlich recht attraktiven, bisymmetrischen Menschen in – einen rundlichen, ohne Gliedmaßen versehenen planetaren Körper verwandelt hatte, der eine riesenhafte, trübrote Sonne umkreiste. Tatsächlich schloß Philip K. aufgrund des schlichten Gefühlseindrucks, der umfassenden emotionalen Aura, die sich in die Keime seines Bewußtseins projizierte, daß er eine Tomate war. Eine Tomate, deren Abmessung und Masse ungefähr der des Planeten Mars glich. Ja, ohne jeden Zweifel, das war es – eine Tomate von der Art, wie sie in den Treibhäusern wuchs. Philip K. drehte sich gemächlich um eine vertikale Achse, die um sieben oder acht Grad geneigt war, und sonnte sich in dem zornigen Licht der fernen roten Riesensonne. Und während er in ihrem Schein badete, mußte er sich eingestehen, daß er verwirrt war. So etwas war ihm noch nie zuvor passiert. Er war ein ganz gewöhnlicher und besonnener Mensch, der weder dem Alkohol übermäßig zugesprochen noch anderen Formen von Liederlichkeiten gefrönt hatte, und daß er sich einfach so in eine marsgroße Tomate verwandelt hatte, erschien ihm als eine unfaire und völlig unangemessene Konversion. Warum ausgerechnet er? Und wie? Wenigstens weiß ich noch, wer ich bin, sagte er sich. Selbst in Gestalt einer gewaltigen Tomate, als die er nun eine fremde Sonne umkreiste, war sein Bewußtsein das eines Menschen – und noch immer sein eigenes. »Ich bin Philip K., und auf irgendeine Weise atme ich noch, und es muß eine ganz natürliche Erklärung für all dies geben« – das ist eine ziemlich genaue Zusammenfassung seiner gedanklichen Ergründungsversuche während der nächsten paar Stunden (wobei Philip K. eine Stunde natürlich in Form eines Vierundzwanzigstels seiner eigenen Rotationsdauer bestimmte).
     
    WIE ICH LEBE UND ATME
    Einige Philip K.-Tage verstrichen. Der Verwandelte entdeckte, daß er eine ihm zugängliche Atmosphäre besaß – eine topologische Hülle (oder Kruste, obwohl diese Bezeichnung für die Schale einer durch das All ziehenden Art von Lycopersicon esculentum ganz und gar nicht zu passen schien), die mindestens anderthalb Kilometer dick war – und Wetter. Philip K. betrieb Photosynthese: Er atmete Kohlendioxid ein und Sauerstoff aus. Der Tau des Morgens und Abends rann an seinen zarten Wölbungen entlang. Einige der Tropfen waren so groß wie Meere. Wolken ballten sich über Philip K.s Äquatorialtaille zusammen und entluden wahre Fluten erfrischenden Regens. Winde, die von diesem meteorologischen Vorgang und seiner eigenen Rotationsbewegung erzeugt wurden, wehten mal in diese und mal in jene Richtung über seine straffe und heranreifende Außenhaut, stiegen Geysiren gleich empor und flossen wieder zu ihm herunter. Es war herrlich, zu leben, selbst in dieser Daseinsform. Die platonische Freude über seine Existenz war überdies im Gegensatz zu unbegabteren Gemüsearten nicht so naiv und unbekümmert. Philip K. erkundete den Wind, den Regen, seine eigene, monumentale Drehung, die in seinem Innern gurgelnden Lebenssäfte, den Wohlgeschmack des Atmens – und er reagierte mit Nachdenklichkeit auf all diese Phänomene. Es war wirklich schade, daß er unbewohnt war (das war eine seiner häufigen Überlegungen); schließlich reicherte er seine Atmosphäre mit soviel frischem Sauerstoff an. Es gab auch nicht viel Hoffnung, auf eine baldige Kolonisierung. Es würde noch einige Zeit dauern, bis die Menschen zu den Sternen aufbrachen. Zwei Jahre vor seiner Metamorphose hatte Philip K. noch als einfacher Techniker beim Luft- und Raumfahrtprogramm in Houston, Texas, gearbeitet. Dann war er entlassen worden und hatte keine

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