Willkommen in der Wirklichkeit
Dunkelheit der Nacht hinaus. Der Zuschauer sieht, wie er einen Augenblick lang stehenbleibt und zu dem unschuldig wirkenden Haus, aus dem er kam, zurückblickt; er steht nachdenklich da und geht dann weiter; er geht allein und schweigend – und zielsicher – weiter.
Dann Umblendung zu dem beschädigten Lieferwagen. Es sind ein paar Minuten vergangen. Vincent nähert sich ihm langsam und vorsichtig. Ein paar Neugierige stehen herum und sehen zu, wie ein Abschleppwagen ihn an die Kette legt und ein paar blauuniformierte Polizisten ihn durchsuchen. Vincent bahnt sich den Weg durch den Menschenring und betrachtet noch einmal das Gebilde aus Gehirn und Maschinenteilen auf dem Beifahrersitz; er mustert es eindringlich, runzelt die Stirn … dann weisen die Polizisten ihn an, zurückzutreten.
Als er sich umdreht, sieht er eine kleine Gestalt am Rand der Menschentraube; wir sehen eine Nahaufnahme seines Gesichts, die Ungläubigkeit und Fassungslosigkeit ausdrückt. Aber ist es wirklich Fassungslosigkeit? Auf jeden Fall verändert sich der Gesichtsausdruck und zeigt nun eine fast wilde Entschlossenheit, ein wütendes Funkeln, als habe sich jeder unterbewußte Verdacht, jeder entfernte, nagende Zweifel in diesem Augenblick erfüllt. Vincent setzt der kleinen Gestalt, die ihm zu entkommen versucht, mit einer tierhaften Wut nach. Er holt sie ein und hält sie mit einem kräftigen Griff fest. Und steht dem um Atem ringendem High School-Mädchen gegenüber, das in verzweifelter Furcht mit den Augen rollt.
»Also hatte ich recht«, sagt Vincent nach einer bedeutungsvollen Pause zu ihr, eine Interpunktion des unverhohlenen Hasses. »Das auf dem Beifahrersitz sind nicht Sie. Dieses … dieses Ding aus Kabeln, Selenrelais, Plastikröhren und Servoschaltkreisen … es ist eine Fälschung, mit der Sie mich hereinlegen wollten. Sie leben noch.«
Das Mädchen sagt nichts, hält jedoch die Augen auf sein Gesicht gerichtet. Sie wartet darauf, daß er mit dem fortfährt, was er nun offensichtlich sagen wird.
»Warum sind Sie hierher zurückgekommen?« fragt er das Mädchen.
»Warum sind Sie zurückgekommen?« entgegnet sie trotzig.
»Nennen Sie es eine Ahnung«, sagt Vincent.
»Und die Ahnung zahlte sich aus«, sagt das Mädchen mit knirschendem Zorn – und Furcht. Und doch scheint es zu ihm hingezogen; es bleibt freiwillig.
»Ich glaube schon«, sagt Vincent. Er wirkt wieder müde, gebückt und verbittert, wie zuvor. Die Last liegt wieder auf seinen Schultern. »Es war alles eine Täuschung«, sagt Vincent. »Für mich inszeniert – zwei Dutzend von euch getötet; ihr seid kompromißlos vorgegangen.«
»Es … es mußte einfach echt wirken«, gesteht das Mädchen. »Wenn es funktionieren sollte.«
»Es gibt hier überhaupt keine intergalaktische Polizei«, fährt Vincent fort. Ihre Augen künden von einem unwillkürlichen Eingeständnis, doch sie gibt keine Antwort. »Was ich gesehen habe«, sagt Vincent, »das wart nur ihr, andere Invasoren, mehr von eurer Rasse. Ich, ich sollte allen anderen, die von euch wissen, sagen … ich sollte ihnen sagen, daß wir nicht mehr kämpfen müssen, daß andere den Kampf für uns führen. ›Gehen Sie nach Hause‹, sagte man mir. ›Vergessen Sie die Sache. Hören Sie damit auf, die Leute zu warnen.‹ Und ich hätte es beinahe geglaubt. Aber ich mußte mir noch ein letztes Mal ansehen … was ich für Sie gehalten habe. Weil Sie mir nicht gleichgültig waren; weil mich bekümmerte, was geschehen ist.«
Das Mädchen weicht plötzlich vor ihm zurück; es läuft auf die dunkle Straße, zwischen die sich bewegenden Scheinwerfer, den abendlichen Verkehr. Bremsen quietschen, und es ist das Geräusch eines Aufpralls zu hören: ein echtes Geräusch, nicht das nachgeahmte bei ihrer ersten Begegnung. Wir sehen David Vincents Gesicht, wie er beobachtet, was geschieht. Es ist ein komplizierter Gesichtsausdruck: leichte Untertöne des Mitleids, hauptsächlich jedoch eine bloße Beobachtung, eine Hinnahme des Unvermeidlichen. Er geht in diese Richtung, auf einen Wagen zu, der mit laufendem Motor und angeschalteten Scheinwerfern mitten auf der Straße stehen geblieben ist. Und vor dem Wagen – nichts.
»Ich habe sie gesehen!« ruft der untersetzte Fahrer mittleren Alters aufgeregt. »Ich habe sie vor mir gesehen, als wollte sie, daß ich sie überfahre. Ich habe den Aufprall gefühlt, als ich sie traf. Ich glaube, ich habe sie umgebracht; es war ein wirklich heftiger Aufprall. Aber … sie ist
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