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Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
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erspürte, und wie er sie sich bezahlen ließ, bis heute aufgedrückt. Sie paßte gut und sitzt immer noch in den Köpfen und inszeniert immer wieder Katastrophen. Erinnerst du dich?
    Du hast gegen diese unheilige Macht angekämpft, hast dagegen wie ein Besessener angeschrieben, hast gegen sie gelebt. Sie hat dich verfolgt, gedemütigt, hat dir fünf Ehen zerstört und dich mit der Drogenwelt konfrontiert. Du bist tot. So tot wie Hitler, so tot wie Kennedy. Aber wie Hitler und Kennedy existierst du weiter in den Gehirnen der Menschen, die von dir wissen, die deine Bücher lesen. Du bist zäh und willst nicht sterben.
    Heute ist der 8. Juni 1983, du bist seit über einem Jahr tot.«
    Phil setzte sich auf einen leeren Stuhl und grübelte vor sich hin, furchte die Stirn, rollte mit den Augen, kniff sich ins Fleisch, biß sich auf die Zunge, rülpste und schrie auf, entblößte seinen weichen weißen Bauch. Dann taumelte er auf den Herrn (Du mein Herr, Zoroaster, Jaldabaoth, du Schwein) zu und lachte gequält, seine Stimme bitter vor Wahnsinn.
    »Und wenn schon. Und wenn ich noch so tot bin, so bin ich immer noch lebendiger als du. Ich habe dich erkannt. Langsam kommt das Spiel meiner Neuronen wieder in Gang. Hörst du die Synapsen in meinem Schädel schnappen? Ich kenne dich, und wenn du mir sagst, ich sei tot, sei vor über einem Jahr gestorben, wenn Palmer Eldrich das sagt, denn du bist Palmer Eldrich, dann spielt es für mich keine Rolle, ob ich tot bin oder nicht. Ich fühle mich als Philip Kindred Dick, du hast mich als dieser identifiziert, keiner der Dahockenden widerspricht. Du weißt mehr über mein Sterben als ich, also muß es mich gegeben haben, also bin ich. Heureka! Mag sein, ich bin ein Simulakrum, oder einfach nur ein Schauspieler. Aber ein Schauspieler, der mich spielt, der Hans Baumann heißen mag, oder Fritz Ungut oder wie auch immer, schließlich muß er wissen, ob es mich, Philip K. Dick, gibt oder nicht. Ich frage mich selbst, gibt es Philip K. Dick, und der Schauspieler antwortet aus mir: Er ist tot, er ist am 2. März 1982 in Kalifornien gestorben. Ich hätte besser die Schnauze gehalten.«
    Er sah Palmer Eldrich lange an, ging um ihn herum, berührte mit den Fingern sein Gesicht.
    »Du hast eine Maske auf, das spüre ich. Deine Gesichtshaut fühlt sich leichenhaft an, du riechst nach Schminke, schmeckst nach ranzigen Ölen. Dein Schweiß beißt in meine Nasenöffnungen. Und ihr«, er wandte sich an die Zuschauer, »ihr seid wahrscheinlich Figuren aus meinem Leben, aus meinen Romanen, Gnostiker aus dem 2. Jahrhundert nach Christi Kreuzigung; Basilides, Valentin, Konstantin, Hitler. Alle sind sie präsent. Entweder leibhaftig oder in euren Gedächtnisspeichern. Wo seid ihr? Gebt euch zu erkennen! Oder muß ich euch in der damaligen Lingua Franca, dem koine- Griechisch, ansprechen? Ich weiß, daß ich diese Sprache in einer Vision fließend beherrschte.«
    »Aber das war doch wohl auf einem LSD-Trip, wenn mich die kümmerlichen Aufzeichnungen deiner Biographen nicht täuschen. Das war, bevor du endgültig übergeschnappt bist und in religiösen Wahn fielst!«
    Ein Mensch aus dem Publikum, eine zischelnde Stimme, bösartig wie die Verleumdung, einer, der sich nicht zu erkennen geben wollte und sich hinter seinem Vordermann versteckt hatte, hatte dies gesprochen.
    Phil sah sich um und ging zwischen den Zuschauern auf und ab.
    »Das ist nicht wahr, das ist die Sprache der verlogensten aller Realitäten, die Lingua Vulgata jener miesen Halbtoten, die für Firmen wie das FBI und das BKA und andere Sicherheitsdienste arbeiten. Spitzel, für die nur das wirklich ist, was ihnen der Dienstherr vorschreibt. Organe einer Politikerbande, die mich und meinesgleichen zwar für verrückt erklärt, aber dennoch schon die Scheiterhaufen schürt, um die rebellischen Gnostiker und Häretiker wider den american way of life and dying zu verbrennen.«
    Ein Informant der Gegenseite, ein Sympathisant Phils, stand von seinem Stuhl auf und informierte die anderen Anwesenden über einige Vorfälle im Kalifornien der vergangenen zwei Jahrzehnte.
    »Sie haben Phil hart zugesetzt, haben ihn verhört, haben seine Wohnung demoliert, haben ihn bespitzelt, haben ihn unter Druck gesetzt, haben gedroht ihn zu erschießen, von den fünftausend Exemplaren seines Romans ›Eine andere Welt‹ (Flow My Tears, the Policeman Said) wurde die Hälfte aus einem Lagerhaus gestohlen. Die US-Army untersuchte den Roman, sein Buch wurde in der

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