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Willkommen in Wellville

Willkommen in Wellville

Titel: Willkommen in Wellville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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Lärm und das Durcheinander wären nichts für deine Nerven –«
    Das Licht erstarrte auf ihren Brillengläsern. Sie hielt die Gabel wie eine Waffe, und der Diamant an ihrem Hals funkelte in seiner kompromißlosen Reinheit. »Um wieviel Uhr?« fragte sie, ihre Lippen wie eine Klammer um die Frage.
    »Um sieben.«
    »Um sieben? Aber ist das nicht fürchterlich früh? Ich muß meine Schwedischen Körperbewegungen machen, weißt du – und die morgendlichen Anwendungen.«
    Charlie lächelte breit übers ganze Gesicht, lächelte, bis er spürte, wie sich die Haut in seinem Nacken zusammenzog wie eine Jalousie. »Um sieben Uhr abends«, sagte er.
     
    An diesem Sonntag wurde es schnell dunkel, dazu fiel ein prasselnder Regen, der die Würmer aus der Erde auf die Bürgersteige trieb und alle scharfen Konturen und charakteristischen Wahrzeichen der Lebensmittelstadt, USA, verwischte. In Charlies Augen war das Wetter perfekt. Nachdem sie vor dem San in der Droschke Platz genommen hatten, konnte Mrs. Hookstratten unmöglich mehr erkennen, ob sie nach Norden, Süden, Osten oder Westen fuhren oder in den Himmel aufstiegen wie eins von Wrights Flugzeugen. Sie war sichtlich aufgeregt. Und obwohl sie nicht einmal innehielt, um Luft zu holen, war ihr Ton weniger streitlustig, und er spürte, daß sie milder gestimmt war. Sollte er sie um fünftausend bitten? Zehn? Er wollte sie nicht mit der Ziffer erschrecken, aber andererseits mußte er sein Blatt ausreizen.
    An der Tür erwartete sie Delahoussayes Cousin, ein kahlköpfiger Mann in einem billigen, aber respektablen Anzug und mit einem gewinnenden Lächeln. Zwanzig Dollar waren viel Geld, aber damit erkaufte sich Charlie eine ausführliche Tour durch die Örtlichkeiten, von der Halle, in dem das Korn gemahlen wurde, über den Raum, in dem die Flocken geröstet wurden, und das Förderband, an dem die Schachteln gefüllt wurden, bis zu dem Zimmer, in dem die Schachteln gefaltet und zusammengeheftet wurden (die Schachteln selbst waren passenderweise verlegt worden, damit Mrs. Hokkstratten nicht unnötigen Grund zur Verwirrung hatte). Er kaufte – oder mietete – damit zudem ein Orakel, das selbst die abstrusesten Fragen mit einer Gründlichkeit beantworten konnte, die ein ganzes Team von Ingenieuren nicht aufgebracht hätte. Der Cousin machte seine Sache in der Tat so gut, daß er Charlie nahezu davon überzeugte, daß ihm diese wunderbare und tadellose Fabrik gehörte, und er beschloß, ihm beim Verlassen der Fabrik einen Dollar Trinkgeld zu geben.
    Die Schwierigkeiten begannen, als sie das Büro betraten. Charlie hatte einen Per-Fo-Briefkopf organisiert und ein Namensschild für den Schreibtisch, und er war sorgsam darauf bedacht gewesen, alle Hinweise auf die wahren Eigentumsverhältnisse aus dem Zimmer zu entfernen. Telephon, Schreibmaschine und Schreibunterlage befanden sich auf dem Schreibtisch, zusätzlich eine beschauliche Ansammlung von Federhaltern, Bleistiften und Radiergummis. »Und hier, Tantchen«, sagte Charlie und riß die Tür auf, »ist mein Allerheiligstes.«
    Mrs. Hookstratten machte ein langes Gesicht. Sie biß sich auf die Lippen. Ihre Augen verschlangen das Zimmer und spuckten es wieder aus.
    »Tantchen?« krächzte Charlie, suchte hektisch nach verräterischen Spuren der Push-Paraphernalia, nach dem Corpus delicti. »Stimmt irgend etwas nicht? Gefällt dir mein Büro nicht?«
    Die stahlharten Augen, die gnadenlos zusammengepreßten Lippen. Mrs. Hookstratten konnte unerbittlich sein, unerbittlich genug, um ganze Armeen heulend vor sich herzutreiben. »Aber das ist nicht Mahagoni, Charles – das sieht doch ein Kind.« Sie schoß einen mörderischen Blick in Richtung des Cousins, als ob er dafür verantwortlich wäre, daß ihr Junge in der wesentlichsten aller Angelegenheiten übertölpelt worden war.
    »Kirschholz, Ma’am«, sagte der Cousin.
    »Auf Mahagoni gebeizt«, warf Charlie ein und schüttelte die Finger, als hätte er sie verbrannt. »Stimmt’s, Garth?«
    »Stimmt, Sir.«
    Aber Mrs. Hookstratten ließ sich nicht versöhnlich stimmen. »Das ist kriminell und sonst nichts«, schnaubte sie, »ein billiges einheimisches Holz zu nehmen, das nicht halb – nicht einmal halb – so elegant und edel ist wie Mahagoni, und mir wurde weisgemacht … man hat dich hintergangen, nicht wahr, Charles? Wenn du gewußt hättest, daß es nicht Mahagoni ist, wärst du doch sicher der erste gewesen, der es mir erzählt hätte, oder?«
    Charlie warf dem Cousin

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