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Willkommen in Wellville

Willkommen in Wellville

Titel: Willkommen in Wellville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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wie steht’s mit dir?«
    Delahoussaye blickte auf die Theke hinunter, heuchelte Bescheidenheit. »Der Zug heute abend war eine Goldgrube, eine echte Goldgrube«, murmelte er und strich sich dabei nachdenklich über die Nase. »Habe ich dich nicht im Bahnhof gesehen?«
    Charlie nickte.
    »Hab’ fünfundsiebzig von Push und über zwanzig von Vita-Malta verkauft, obwohl sogar die Halbleichen, die frisch angekommen sind, wissen, daß sie ins Bodenlose sinken.«
    »Was? Vita-Malta? Aber wurde nicht erst letzten September die Fabrik eröffnet?«
    »Das kommt und geht, Charlie – das müßtest eigentlich auch du wissen.« Charlie überlegte, was er darüber gehört hatte, aber Delahoussaye gab ihm keinen Hinweis, sondern ließ lediglich die Schultern sinken und zog die Augenbrauen hoch. »Miserables Management – und das Zeug schmeckt wie die Schachtel, in der es verpackt ist.«
    »Und Push? Was ist damit? Wie ich höre, verkaufen sie so viel, daß sie mit der Produktion kaum nachkommen.«
    Delahoussaye zündete sich eine Zigarette an und bedachte Charlie mit einem geheimnisvollen Blick, während er das Streichholz schüttelte, bis die Flamme erlosch, und den Rauch ausstieß. »Ja, klar – denen geht’s blendend. Weil sie schlau sind. Mein Cousin Garth arbeitet dort – als rechte Hand des Vorarbeiters –, und ich sag’ dir, die Fabrik ist so sauber wie die Küche deiner Mutter. Und sie haben eine neue Fabrik, das nützt auch was. Kennst du sie? Draußen an der South Union, schräg gegenüber von Post?«
    Charlie kannte sie – ein in den Push-Farben, Grün und Rot, gestrichenes Backsteingebäude, das den größten Teil eines Blocks einnahm. Er konnte nicht mehr zählen, wie oft er es bewundert hatte – es war genau das, was er sich für Per-Fo vorgestellt hatte, etwas Solides, etwas, worauf man stolz sein konnte, die Art Gebäude, die suggerierte: Hier bin ich, mach was aus mir. Aber in diesem Augenblick, als er die Push-Fabrik in aller Pracht vor seinem geistigen Auge sah, kam ihm ein Gedanke. Es war eine Idee, ein Plan, und die Inspiration traf ihn buchstäblich wie ein harter Hieb, wie ein Schlag ins Gesicht – er mußte tief Luft holen und die Finger beider Hände auf der Theke spreizen, um nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten. Er wandte sich Delahoussaye zu, hoffte, daß der Blick in seinen Augen ihn nicht verriet, und sagte so beiläufig wie möglich: »Dein Cousin, sagtest du?«
     
    Der schwierigste Teil war, Mrs. Hookstratten hinters Licht zu führen. Der Rest war zwar auch kein Sonntagsspaziergang, aber zumindest war es unkompliziert; es galt, Will Lightbodys Geld im richtigen Verhältnis an die richtigen Stellen zu verteilen. Weniger als hundert Dollar von der Lightbody-Investition, verteilt an Delahoussaye, seinen Cousin, den Nachtwächter und ein paar ausgesuchte andere Leute, genügten, um die Push-Fabrik für zwei heimliche, illusionäre Stunden in die Per-Fo-Fabrik zu verwandeln. Den größten Anteil bekam der Schildermaler, ein händeringender Künstler, der es kaum ertrug, sich und seine Talente für ein so vergängliches Werk zu prostituieren. Zu guter Letzt gelang es ihm, ein annehmbares Faksimile zu produzieren, wiewohl er nicht aufhörte zu murren. KELLOGG’S PER-FO stand auf dem Banner in ein Meter zwanzig hohen Buchstaben, gleichmäßig über mehrere zusammengenähte Bettlaken verteilt, und obwohl es ihn nicht billig gekommen war, hatte Charlie keinen Grund, sich zu beklagen: Wenn man es richtig über die hoch oben hängende Push-Plakattafel drapierte, sah es absolut echt aus. Vor allem bei Nacht.
    Nein, das Problem war Mrs. Hookstratten. Sie war eine Frau, die es nicht gewöhnt war, daß man ihr etwas abschlug. Bereits als kleines Mädchen und Alleinerbin des Van der Pluijmschen Vermögens, das aus Ziegeleien stammte, und später als Frau von Adolphus »Dolph« Hookstratten, dem Löwen der Wall Street, und noch später als Witwe hatte sie immer bekommen, was sie wollte – und wann sie es wollte. Aber Charlie mußte sie acht nicht enden wollende Tage lang hinhalten – so lange dauerte es, bis alles arrangiert und es endlich Sonntag und die Fabrik leer war. Push produzierte wie Post Foods und die Kellogg Company vierundzwanzig Stunden am Tag, und der einzige Tag, an dem Charlie diesen Betrug über die Bühne bringen konnte, war der Tag des Herrn, wenn die Öfen kalt und die Förderbänder verlassen wären.
    Mrs. Hookstratten verstand die Welt nicht mehr. Zwei-, dreimal am Tag rief

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