Willkommen in Wellville
wenn er ihn nur in die Hände bekommen hätte. Er wollte ihm etwas zubrüllen, aber er bezwang den Drang aus Angst, sich zu verraten – gut möglich, daß Eleanor und die anderen gleich hinter der ersten Baumreihe auf einer Decke lagen. Hilflos blieb er einfach nur da stehen und sah zu, wie die Droschke in der Ferne verschwand.
Auch gut, war ihm doch egal, wie er zurückkam – oder ob er überhaupt zurückkam. War völlig unwichtig. Wichtig war einzig und allein Eleanor – und sie steckte mit Badger und dem Unterleibsmanipulator hier irgendwo in den Büschen. Mit trockenem Mund, rasendem Puls und kitzelnder Nase – der nächste Nieser würde nicht lange auf sich warten lassen – kämpfte Will sich weiter. Heuschrecken hüpften vor ihm hoch, Schmetterlinge flatterten davon. Eine Lerche stürzte sich auf ihn und flog dann himmelwärts. Mit gesenktem Kopf versuchte er, seine Atemzüge zu kontrollieren und die Wirkung der Sonne und des Pollens, der wie eine stinkende Wolke über der Wiese hing, abzuwehren und zwischen Klee und Timotheusgras Ausschau zu halten nach Anzeichen dafür, daß er sich auf der richtigen Spur befand – und wenn das hier überhaupt nicht die richtige Wiese war? Was, wenn sie sich auf der anderen Seite der Straße in die Büsche geschlagen hätten? Er blieb stehen, um sich den Schweiß aus dem Gesicht zu wischen, und sah sich benommen um, sein Gehör auf die leisesten Geräusche abgestimmt. Nichts war zu hören.
Als er die Baumreihe erreichte – Kiefern, die angepflanzt worden waren, um den Wind abzuhalten –, fand er, wonach er suchte. Kürzlich erst war hier jemand gegangen, daran gab es keinen Zweifel. Ein Pfad oder vielmehr zwei Pfade waren deutlich zu unterscheiden, das hohe Gras war niedergetreten, und an der Stelle, wo zwei primitive Holzzäune aufeinandertrafen, stand ein Tor offen. Hier war der Beweis, handfest und real, Betrug, ersichtlich an niedergetrampeltem Gras – Vögel beobachten, und sonst noch was –, es erheiterte und deprimierte ihn zugleich. Sie hatte ihn angelogen. Eleanor hatte ihn angelogen, und er wußte nicht, was das bedeutete oder was er dagegen unternehmen würde. Aber als er vorsichtig durch das Tor schlich, wußte er, daß er etwas unternehmen würde, etwas Entscheidendes und Endgültiges, etwas Dramatisches, und es gab kein Zurück mehr.
Die Sonne brannte auf ihn herunter. Insekten schwirrten durch die Luft. Er rieb sich die Augen und unterdrückte ein Niesen. Dann ging er weiter, verstohlen, argwöhnisch, mit angespannten Sinnen. Fünfzig Schritte weiter sah er zum erstenmal den Fluß, ein heller, flüssiger Widerschein, gefangen zwischen den Ästen der nächsten unregelmäßigen Baumreihe. Er hielt den Atem an, musterte seine Füße, pirschte über das offene Gelände wie ein Indianer mit einem Tomahawk zwischen den Zähnen. Aber dort, was war das? Zu seiner Linken, hinter einer Gruppe Birken, bewegte sich da nicht etwas?
Er ging in die Hocke, hielt sich an der papierenen Rinde der Bäume fest, kroch zentimeterweise vorwärts. Schritt für Schritt, näher und näher, angezogen von der Bewegung, die einmal verdeckt und dann wieder durch den Schirm aus Laub sichtbar war. Und dann war das sich bewegende Objekt plötzlich deutlich erkennbar, und er sah, daß es ein Mann war, ein Mann, der ihm den Rücken zukehrte, ein nackter Mann, und daß sich sein rechter Arm und seine rechte Schulter rhythmisch auf seine Körpermitte zu bewegten, als ob, als ob … Will war nicht vorbereitet auf das, was er als nächstes sah, hätte es nicht sein können, nicht in seinen wildesten Phantasien, und er erstarrte auf der Stelle.
Er sah, daß dort am Ufer des Flusses zwei Männer und zwei Frauen waren und daß sie nackt waren, alle – vollkommen, gänzlich, total nackt, bis zu den Zehenspitzen. Die Frauen rekelten sich auf dem Rücken, den Kopf an einen Baumstamm gelehnt, und einer der Männer stand zwischen ihnen, seine splitternackten weißen Pobacken der Stelle zugewandt, an der sich Will versteckte. Der Mann hielt die Arme seitlich ausgestreckt, seine Hände machten sich zwischen den Beinen der Frauen zu schaffen. Der andere Mann – es war Badger – stand direkt hinter ihnen und masturbierte. Und die Frauen? Eine von ihnen, die auf der rechten Seite, war Virginia Cranehill. Ihre großen, sonnengebräunten, schlüpfrigen Zitzen lagen platt auf ihrem Brustkasten, ihre Augen waren geschlossen, der Ausdruck auf ihrem Gesicht ekstatisch. Die andere Frau war
Weitere Kostenlose Bücher