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Willkommen in Wellville

Willkommen in Wellville

Titel: Willkommen in Wellville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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nennen – oder ›Mr. Bender‹.«
    »Ich, äh, hab’ mich grad gefragt – wegen der Fabrik. Und der Pappe für die Kartons. Du hast geschrieben, du würdest Fortschritte machen …?«
    »Also, da gibt’s ein Problem.« Bender schritt wieder auf und ab, zog seine Manschetten nach vorn und spielte mit dem schweren Siegelring, den er an seinem rechten Zeigefinger trug. »Die alte Malta-Vita-Fabrik war uns sicher, einschließlich zwei riesengroßer Ofen, so gut wie neu –«
    »Malta-Vita? Willst du damit sagen, daß sie nicht mehr im Geschäft sind?« Charlie spürte, wie ihn ein Schauder durchlief.
    »Pfffft.« Bender wedelte mit einer Hand in der Luft herum, als wollte er eine Fliege verscheuchen. »Seit vier Jahren nicht mehr, Charlie. Zu wenig Kapital, zu hohe Löhne, und ihr Produkt war keinen Pfifferling wert. Weizenflocken. Ha! Mais bringt Geld, Charlie, Mais. Schau dir Kellogg an – der versteht was von Flocken.«
    »Aber – aber heute abend wurden mir Aktien davon angeboten. Kaum war ich aus dem Zug gestiegen, als mich diese Bande zerlumpter Kinder belästigte, als wäre ich das ideale Opfer für eine Bauernfängerei.«
    Bender trank seinen Brandy aus, wandte sich um und schenkte sich noch einen ein. »Du sprichst von Vita-Malta, Charlie, Vita-Malta. Sie haben vor kurzem erst in der alten Map-L-Flocken-Fabrik draußen in der Marshall Road angefangen, das ist jetzt ungefähr sieben, acht Monate her.« Er schwang herum, der Schwenker verschwand fast in seiner großen, fleischigen Hand, und hob rhetorisch einen Finger. »Und sie verschiffen sechs Wagenladungen täglich, Charlie. Sechs Wagenladungen täglich. «
    Charlies Geist schwebte diesem Wunder nach: sechs Wagenladungen täglich. Das waren gute Neuigkeiten. Die besten Neuigkeiten, seitdem er wie ein Stein aus dem Zug in die infernalischste Nacht seines Lebens gefallen war. Wenn Vita-Malta es schaffte, würde es auch Per-Fo schaffen. Charlie grinste – er konnte nicht anders. »Also, was gibt’s für ein Problem? Mit der Fabrik, meine ich.«
    Benders Lachen erschütterte den Raum. »Machst du dir Sorgen, Charlie? Du siehst so aus. Wirklich. Vertrau mir. Vertrau Goodloe H. Bender, der den richtigen Kurs für dich segeln wird und auch für deine Mrs. Hookstratten. Kenne ich mich nicht aus in diesem Geschäft? Kenne ich mich etwa nicht aus?« Er setzte sich wieder auf die Armlehne des Sofas und nahm einen Schluck aus seinem Schwenker. »Alles halb so wild«, sagte er. »Dieser Hurensohn, dem die Fabrik gehört, will zuviel dafür, jetzt, wo er sieht, daß sich jemand dafür interessiert, und ich war ein bißchen knapp bei Kasse und hatte nicht genug Knete, um Nägel mit Köpfen zu machen, wenn du verstehst, was ich meine –«
    »Knapp bei Kasse?« Die Angst war wieder da. Charlie sah die Zukunft sich vor ihm auftun wie ein schwarzes Loch. Plötzlich war er auf den Beinen. »Du willst doch nicht etwa sagen, daß du –?« Er konnte es nicht aussprechen; die Worte erstickten ihn, steckten in seiner Kehle fest. »Willst du etwa sagen, daß du es ausgegeben hast, unser ganzes Startkapital? Jetzt schon?«
    Benders Gesichtszüge erstarrten. »Mir gefällt dein Ton nicht, Charlie. Er gefällt mir überhaupt nicht.« Er reckte streitlustig das Kinn, hob drei dicke Finger an den Hals, um seine Fliege zurechtzurücken – sie war aus leuchtendgelber Seide und klebte an Benders Kragen wie ein präparierter Schmetterling. »Stellst du etwa meine Integrität in Frage? Wenn du das tust, dann kriegst du Ärger, mein Freund. Großen Ärger. Niemand darf es wagen, die Integrität von Goodloe H. Bender in Frage zu stellen. Niemand.«
    Charlie sah weg. Er war müde, sonst nichts. Müde.
    »Hör mal, Charlie. Man schnalzt nicht einfach nur mit den Fingern und gründet über Nacht ein Unternehmen wie Per-Fo.« Benders Ton war jetzt gemäßigter, jede Silbe ein kleines, flaumiges Federkissen unter Charlies müdem Kopf. Er sprach beruhigend, beschwichtigend, mit der Stimme der Vernunft und der Versöhnung. »Man braucht Kapital, Charlie. Geld, um die Räder zu schmieren. Du hast doch die Herren heute abend gesehen? Nun, wir haben eine freundschaftliche Partie Karten gespielt – so jedenfalls sehen sie es. Aber für mich geht es ums Geschäft. Stellrecht ist der Besitzer von acht Papiermühlen in diesem Staat- acht Stück-, und Bookbinder war früher C.W. Posts Chefingenieur, bevor Vim ihn abgeworben hat. Muß ich noch mehr erklären?
    Ja, ich weiß, du fühlst dich

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