Willkür
direkt zu seinem Hotel fahren. Damit würden sie nicht rechnen; sie rechneten damit, dass er irgendwo untertauchte, dessen war er sich sicher.
NEUN
Kurz nachdem Wyatt über den Zaun gesprungen war, klopften die Cops an die Vordertür. Zunächst vermutete Eileen einen Zusammenhang zwischen dem einen und dem anderen; doch sie waren hinter ihrem Sohn her. Ihr war klar, nach einem Durchsuchungsbefehl zu fragen war reine Zeitverschwendung. Die Bullen hatten die Rossiters auf dem Kieker. Sie selbst war ein halbes Jahr in Fairlie gewesen, wegen Hehlerei. Bewaffnete Raubüberfälle hatten Ross die Bekanntschaft mit diversen Gefängnissen beschert — Boggo Road, Long Bay, Wacol. Gerade mal siebzehn, wurde Leanne zu gemeinnütziger Arbeit verdonnert und Niall hatte im vergangenen Jahr sechs Monate wegen Einbruchs und Körperverletzung in Pentridge abgerissen. Und nun wollten sie dem armen Kerl schon wieder etwas anhängen. Sie beugte sich vor und sagte: »Eine gefährliche Waffe? Das soll wohl ein Witz sein! Doch nicht Niall!«
In der Küche sah es aus wie auf einer Polizeiwache. Ein Cop stand hinter Eileens Stuhl, der Zweite hinter Ross und ein Dritter hinter Niall. Zum Glück blieb Leanne und den Kindern dieser Anblick erspart.
»Bei uns sind Beschwerden eingegangen.«
Das kam von Sergeant Napper, einem schwammigen Mann mit Bierbauch und hellblondem Schnauzer. Napper hatte die Angewohnheit, von Zeit zu Zeit leise zu seufzen. Er war Eileen auch schon in seiner Freizeit über den Weg gelaufen, in zu kurzen und zu engen Polyesterhosen, unter denen sich seine Eier und sein Hintern deutlich abzeichneten. Er fuhr einen nicht mehr verkehrstauglichen Holden-Kombi und hatte eine Freundin ein paar Straßen weiter. Manchmal sah man vor ihrer Tür den Holden, manchmal einen Streifenwagen. Eileen fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und probierte es mit einem liederlichen Lächeln — wenn’s half! »Was denn für Beschwerden, Officer?«
»Wegen dem Hund, wetten?«, stieß Niall hervor.
Napper strich seinen Schnauzer glatt. »Dein Hund wird dir noch mal eine deftige Klage einbringen, Niall. Eines Tages beißt er jemandem die Hand ab und du bist dran, mit Schadensersatz in Millionenhöhe.«
»Das steckt nun mal so in ihm drin. Dagegen kann man nichts machen.«
»Du könntest ihn an die Leine nehmen. Du könntest ihm aber auch die Gurgel durchschneiden.«
Niall sah zur Seite, murmelte vor sich hin und schnitt dem Tisch Grimassen.
Mach dich bloß nicht unbeliebt, Junge, dachte Eileen.
Napper legte die Hand an sein Ohr und fragte: »Wie bitte? Hab ich da ’ne Drohung gehört? Bist wohl ’n gewalttätiger Typ, Niall? Einer von der knallharten Sorte, ja?«
Eileen sah hinüber zu ihrem Mann. Die Verachtung stand Ross ins Gesicht geschrieben. Er verschränkte die Arme über der Brust und sagte: »Lass gut sein, Napper. Komm endlich zum Punkt.«
»Okay. Wo ist die Armbrust?«
»Welche Armbrust?«
»Ich stelle hier die Fragen«, entgegnete Napper scharf. »Worum geht’s, Niall? Kannst du den Anblick eures Nachbarn nicht ertragen? Meinst du, er hat kein Recht, seinen Laster vor eurem Haus abzustellen?«
Niall machte den Fehler, höhnisch zu kichern. »Der parkt da nie wieder.«
Der Sergeant atmete tief durch, trat einen Schritt zurück und nickte seinen Kollegen zu. Die beiden verließen den Raum. Eileen wusste, dass sie die Armbrust ohne Mühe finden würden. Sie konnte nur hoffen, dass sie nicht noch mehr fanden.
Napper schien sich unterdessen wie zu Hause zu fühlen. Er nahm die Herald-Sun vom Kühlschrank und schlug sie auf. »Warst du das vielleicht, Niall? Hast du die Todesanzeigen hier angestrichen? Du hattest nicht zufällig vor, den Hinterbliebenen zu Hause einen Besuch abzustatten, während sie sich am Grab versammeln? Würde jedenfalls zu einer Niete wie dir passen.« Er verzog das Gesicht zu einem breiten Grinsen und seine Augen versanken in den Wülsten seiner Wangen. Er blätterte weiter in der Zeitung. »Wieder ein unbescholtener Bürger in seinem Haus zusammengeschlagen und ausgeraubt worden. Kommt ziemlich oft vor in letzter Zeit. Dazu gehört schon einiges, sich jemanden so vorzunehmen, der gerade aus dem Schlaf gerissen wurde und im Pyjama vor einem steht. Was meinst du, Niall?«
»Keine Ahnung, wovon Sie reden.«
»Bist ’ne große Nummer, was, Niall? Markierst gern den starken Mann, nicht wahr? Vor allem, wenn die Leute schon am Boden liegen. Immer feste drauf, hm?«
»Passen Sie mal auf, hier
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