Willküra (German Edition)
Fürchtedich IX., als sie seine Beförderung gefeiert hatten, war er glücklich.
Wie hatte er nur all die Jahre so vor sich hin leben können? Was hatte er im Blick gehabt? Was hatte er gedacht, erreichen zu wollen und erreichen zu können? Warum hatte er vergessen, dass Glück so schön war? Und Glück war im Grunde so einfach: die Frau, die er liebte, lag nackt neben ihm, sie würden später gemeinsam etwas essen, und er hatte das Bewusstsein, dass das hier die beste Alternative von allen möglichen war.
Er grunzte zufrieden und die Kursleiterin lachte verliebt, während sie ihm den nackten Oberkörper streichelte.
Die Türklingel riss sie aus dieser wohlig glücklichen Zweisamkeit.
»Da meint es jemand ernst!«, sagte die Kursleiterin, stand auf und zog sich ihr Negligé über.
»Wieso ernst?«, setzte sich Gerolat im Bett auf und suchte seine Unterhose.
»Weil ich die Klingel so eingestellt habe, dass sie beim ersten und zweiten Klingeln stumm bleibt und erst beim dritten Mal klingelt. So weiß ich, dass derjenige, der klingelt, es ernst meint, mit mir zu sprechen. Das macht einen ungestörter im täglichen Leben.«
Die Kursleiterin ging runter und Gerolat zog sich seine Hose über. Er hatte ein sehr ungutes Gefühl, was das Klingeln anging.
Wer weiß, wer das war.
Gerolat fühlte eine Verantwortung, die er noch nie gehabt hatte, er hatte die Pflicht, seine Kursleiterin zu beschützen. Auch wenn er nicht wusste, was er im Extremfall machen würde. Wenn ein aggressiver Mensch vor der Tür stünde, dann er war weder bewaffnet, noch konnte er seinen Körper zum Kampf einsetzen. Das hatte er nie gelernt. Er schaute sich im Flur um, fand aber außer der Verpackung der Zahnbürste nichts.
Von unten drang eine schrille Frauenstimme zu ihm.
Eine Frau, dachte Gerolat, das macht das Beschützen meiner Kursleiterin schon mal einfacher.
Die Frauenstimme war durchdringend.
»Sie sind weg! Alle weg. Ihres auch!«
Die Frauenstimme wurde immer hektischer, aber so sehr sich Gerolat bemühte, er verstand nicht, was da vor sich ging. Er ging die Treppe herunter und sah, wie sich die Kursleiterin auf die Sessellehne setzte.
»Das ist ja fürchterlich!«, sagte sie leise und dumpf, den Blick leer auf den Boden gerichtet.
Die fremde Frau streichelte der Kursleiterin mitfühlend über die Schulter, dann ging sie plötzlich schnell zur Tür.
»Ich muss weiter, Sie sind ja nicht die einzige Betroffene! Ich muss allen sagen, was der Willkürherrscher mit uns macht. Am Ende vermute ich, er ist kein guter Mann.«
Die Frau drehte sich zu Gerolat und wurde aggressiv und ihre Stimme noch schriller. »Der Willkürherrscher ist ein Übel, er mischt sich in unsere Geschäfte, er macht unser Leben kaputt, er ist ein gemeiner Herrscher!«
Plötzlich fiel die Frau in Ohnmacht. Gerolat rannte schnell zu ihr und schüttelte ihren Körper.
»Ist alles in Ordnung?«
Die Frau öffnete die Augen und sah in sehr freundlich an.
»Ja aber sicher!«, sagte sie, stand auf und verließ völlig ruhig das Haus.
Gerolat schloss verwirrt die Tür. Er verstand überhaupt nicht, was hier vor sich ging. Die Kursleiterin starrte immer noch mit leerem Blick zu Boden.
»Das Buch« sprach die Kursleiterin leise, »es ist eliminiert. Unsere Existenzgrundlage ist weg!«
Völlig neben sich schaute sie hoch.
»Wie? Was?«
Gerolat ging zu ihr rüber und nahm ihre Hand. Die Kursleiterin lehnte ihren Kopf an ihn.
»Der Willkürherrscher hat alle Ratgeberliteratur verboten. Sie ist aus den Buchhandlungen eliminiert. Es ist schrecklich!«
»Bist du sicher?«, fragte Gerolat und ging ein wenig zur Seite, so dass die Kursleiterin keinen Halt mehr an ihm finden konnte und ihn angucken musste. »Warum sollte der Willkürherrscher das tun?«
Die Kursleiterin schaute Gerolat traurig an.
»Weil es sein Job ist, das zu tun, was er für richtig hält.«
Sie schüttelte ihren Kopf und wurde sauer.
»Er macht was er will. Dieses Schwein, dieses ekelhafte Schwein. Ihm ist nicht egal, was für Konsequenzen seine Willkür für uns hier in der Stadt hat, nein, es kann ihm gar nicht egal sein, denn er denkt nicht mal an uns. Wir sind bei ihm eine Stufe tiefer als egal, wir sind für ihn nicht mal wichtig genug, dass wir ihm egal sind.«
Sie fing laut an zu schreien.
»Er ist ekelhaft! Er ist der Schaum auf der Kotze. Er ist der Gestank in der Scheiße. Er ist die personifizierte Unerträglichkeit!«
»Kursleiterin, beruhige dich«, versuchte Gerolat die
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