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Willküra (German Edition)

Willküra (German Edition)

Titel: Willküra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucia Hodinka
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vorgesprochen. Er hatte erklärt, dass er gerne bereit wäre, einen unanständigen Aufpreis für Champagner zu zahlen, wenn er dafür wüsste, dass er ihn jederzeit hier bekommen könnte.
    Dass Champagner sehr wichtig war, hatte er von seinem Bruder gelernt.
    »Füll sie ab, aber mit Stil«, hatte er ihm vor seinem ersten Date geraten und ihm augenzwinkernd eine Flasche Champagner gegeben, »das gilt für jedes Date, für jede Frau!«
    Und es funktionierte tatsächlich so gut, dass Jamel lieber nicht ausprobieren wollte, wie ein Date verlaufen würde, wenn er keinen Champagner anböte.
    Seit wie vielen Jahren hat sich hier in der Stadt eigentlich nichts mehr verändert, fragte sich Jamel, während er weiter zur Buchhandlung ging. Alles ist so wie immer. Soll man darüber glücklich sein, oder unglücklich? Mit dieser Frage öffnete er die Tür der Buchhandlung. Das kleine Glöckchen über der Tür, das durch das Türöffnen in Bewegung geriet, klingelte sanft.
    In diesem Moment spürte Jamel Glück. Das Glöckchen hatte er hier schon als Kind gehört und er hoffte, dass er es auch in vielen, vielen Jahren hier noch hören würde. Er war also glücklich darüber, dass sich die Dinge nie änderten. Fast wurde er ein bisschen sentimental, ohne zu wissen, warum, doch als er die Tür hinter sich schloss, kam ihm doch etwas anders vor.
    Er schaute sich um. Mindestens die Hälfte der Buchregale war leer. Eine der Buchhändlerinnen sprach hektisch mit einer Kundin, eine andere telefonierte hektisch und eine dritte rannte Mantra-artig hektisch hin und her.
    »Das müssen wir jetzt irgendwie neu ordnen alles. Jetzt müssen wir das alles neu ordnen irgendwie. Irgendwie müssen wir das alles neu ordnen jetzt!«
    Das Einzige, was sie neu ordnet, sind die Wörter in ihrem Satz, dachte Jamel.
    »Ja, alle weg. Einfach so. Einfach verschwunden«, rief die andere der Buchhändlerinnen laut und hektisch ins Telefon, »wir haben schon Leute losgeschickt, damit sie den Betroffenen davon berichten. Ich hatte wirklich gerade noch eins in der Hand, da ist es mir in der Hand verschwunden. Stellen Sie sich das mal vor!«
    »So wie es jetzt aussieht, ist es ausschließlich Ratgeber-Literatur, die verschwunden ist«, sagte die eine Verkäuferin zu der Kundin. »Es wird daran liegen, dass die Ratgeberliteratur einfach nicht gut ist, nehme ich an. Der Willkürherrscher versucht uns sicherlich davor zu schützen.«
    Die dritte Verkäuferin lief an ihnen vorbei.
    »Das müssen wir jetzt irgendwie neu ordnen alles. Jetzt müssen wir das alles neu ordnen irgendwie. Irgendwie müssen wir das alles neu ordnen jetzt!«
    Die Kundin antwortete vertraulich.
    »Tatsächlich war da ja eine Menge Mist dabei, wenn Sie dieses grobe Wort erlauben. Das nannte sich nur Ratgeberliteratur, um sich gut zu verkaufen. Guter Rat ist doch teurer als diese Bücher! Ich habe schon zu meinem Mann gesagt: Wenn der Willkürherrscher sich anschaut, was wir so alles lesen, was wir hier so alles schreiben und überhaupt so treiben, dann können wir schon froh sein, dass er es überhaupt mit uns aushält, uns als Volk überhaupt duldet und regiert! Ich finde es gut, dass er durchgreift und uns vor dem Übel schützt.«
    Die Buchhändlerin, die mit der Kundin sprach, fasste ihr kurz besser wissend an den Oberarm.
    »Na, die werden neue Bücher schreiben. Vernünftige Bücher. Vielleicht Bücher über den Willkürherrscher! Da müssen die sich was einfallen lassen. Ich glaube nicht, dass das Genre Ratgeberliteratur hier noch einmal auftauchen wird.«
    »Das müssen wir jetzt irgendwie neu ordnen alles. Jetzt müssen wir das alles neu ordnen irgendwie. Irgendwie müssen wir das alles neu …«
    Plötzlich fiel diese Buchhändlerin in Ohnmacht.
    Jamel erschrak. Er beugte sich sofort zu ihr hinunter. Was war mit ihr passiert? Die arme Frau, dachte er und schaute ihr ins Gesicht. Nein, eine Mund-zu-Mund-Beatmung wollte er bei ihr nicht machen müssen. Auch wenn er Mitleid hatte und sie schon sehr lange kannte und sie auch retten wollte, die Fakten sprachen dagegen: sie war doch viel zu alt für ihn! Mundkontakt hielt er für ausgeschlossen. Er konnte ihr doch aber auch nicht einfach eine Ohrfeige geben, damit sie wieder zu sich kam. Oder doch? Er schaute sich um, ob die anderen Buchhändlerinnen etwas mitbekamen. Die waren aber völlig in ihren Gesprächen vertieft. Halbherzig holte er gerade für eine Ohrfeige aus, als die Buchhändlerin wieder zu sich kam.
    »Gott sei Dank«, rief

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