Willküra (German Edition)
geschickt um die Armlehne.
»Da du aus dem Nichts hier aufgetaucht bist, Amanus«, setzte die Schwester des Willkürherrschers ihre lange Rede fort, »gehe ich davon aus, dass du an einer feindlichen Machtübernahme interessiert bist. Oder irgendwie darin verstrickt bist. Über Jahrhunderte lehren uns die Liebesgeschichten, dass ein Mann, wenn er einer Frau verfällt, nicht mehr in der Lage ist, seinen Verstand zweckdienlich zu nutzen, sondern sich so verhält, wie es eben diese Frau ihm flüstert. Ich vermute deshalb, dass du ihm wahrscheinlich etwas flüstern willst. Ob nun deine eigenen Inhalte, oder die eines dir Vorgesetzten, gilt es herauszufinden.«
Die Schwester des Willkürherrschers schaute Amanus hasserfüllt an.
»Ich gehe nun weiterhin davon aus, dass du dich mir nicht anvertrauen, und mir nicht verraten wirst, was du vorhast. Oder? Mit wem arbeitest du zusammen und warum?«
Sie wartete, ob Amanus ihr antworten würde, aber Amanus rührte sich nicht.
»Gut, da diese Prämissen nun gesetzt sind«, sagte die Schwester des Willkürherrschers und ging mit großer, herrschergleicher Geste los zu Amanus rüber, um ihre Rede zu einem Höhepunkt zu führen, aber der Mantel verhedderte sich an der Armlehne, und ließ sie nicht vorwärts kommen. Die Schwester des Willkürherrschers war entsetzt. Dieser kleine Zwischenfall ruinierte sowohl ihren großen Auftritt im Willkürherrschaftlichen Mantel, als auch den Höhepunkt ihrer großen Rede.
»Komm gefälligst, dummer Mantel!«, zischte sie wütend und zog daran, ohne sich der feinen, weichen Qualität des Mantels bewusst zu werden. Das nahm dieser ihr übel und hakte sich sofort noch fester ein.
»Ich würde dir ja helfen, aber irgendwas sagt mir, dass ich da schön blöd wäre!«, kreischte hoch und schrill und laut ein plötzlich neben Amanus stehender Zwerg der Schwester des Willkürherrschers entgegen.
»Wer bist du denn?«, fragte Amanus den Zwerg verwundert.
»Selber!«, rief der Zwerg, nahm Schwung, rannte Richtung Schwester des Willkürherrschers, stieß sich kurz vor ihr fest mit den Füßen ab, flog durch die Luft, zog der Schwester des Willkürherrschers im Flug den Mantel von der Schulter, landete auf beiden Füßen neben dem Stuhl, machte einen kleinen Knicks und legte den Mantel auf den Stuhl zurück.
»Na warte, du gehässiger kleiner Zwerg!«, brauste die Schwester des Willkürherrschers auf und rannte auf den Zwerg zu. »Dieses Mal krieg ich dich!«
»Kriegst mich nicht!«
»Ich krieg dich doch!«
Amanus fieberte gespannt mit, ob der Zwerg schneller würde fliehen können, als die Schwester des Willkürherrschers ihn gepackt bekäme, und gerade als sie dachte, sie würde die Spannung nicht mehr aushalten können, verschwand der Zwerg.
Völlig geschafft setzte sich Amanus aufs Sofa und atmete aufgeregt laut ein und aus.
Die Schwester des Willkürherrschers lachte sie gehässig aus.
»Wenn du das schon nicht aushältst, bist du bei deinem Versuch, hier die Macht zu erlangen, absolut fehl am Platz.«
Die Schwester des Willkürherrschers ging zur Treppe und sprach im Weggehen.
»Für meine lückenlose Erklärung, die keine Fragen offen lässt, warum es nicht in Frage kommt, dass du meinen Bruder heiratest, ist jetzt keine Zeit mehr. Du musst es also einfach so hinnehmen, und hast dich hiermit so bald wie möglich von hier zu entfernen. Tschüss, bye-bye, adieu, ab geht es nach Hause für dich, du Dummenuss.«
Bevor sie die Treppe in den Regierungssaal herunter ging, blieb die Schwester des Willkürherrschers kurz stehen.
So eine Treppe baut keiner ohne Grund, dachte sie. Die ist bestens geeignet für große Auftritte. So naiv sie auch tut, so dumm und unerfahren, dieses kleine Flittchen hier hat sicherlich große Pläne.
Die Schwester des Willkürherrschers schnaubte.
»Und wenn ihr euch so liebt, der Willkürherrscher und du«, rief sie beim Runtergehen, »dann kannst du ihn doch bestimmt überreden, dass er mit dir mitgeht und ein neues Leben mit dir beginnt irgendwo. Vielleicht unten in der Stadt! Hahahahahahah. Hahah. Hahahaha.«
Sie lachte so gehässig und laut, dass es Amanus nicht nur in ihren Ohren, sondern auch in ihrem Herzen schmerzte.
23
»Jamel?«, frage Raja erstaunt, dass Jamel vor ihrer Tür stand. »Waren wir verabredet?«
Jamel war enttäuscht. So hatte Raja ihn noch nie begrüßt. Sonst bekam Raja immer wenn sie ihn sah diesen Blick, der die beiden direkt ins Schlafzimmer führte. Und jetzt gab sie ihm
Weitere Kostenlose Bücher