Willküra (German Edition)
Einstichloch der Spritze, die er sich zur Sicherheit sofort gesetzt hatte nachdem der Willkürherrscher in den Armen eines Wachmanns hinaus gewankt war, schmerzte ihn.
Das ist aber wirklich der einzige Nachteil an der Restalkohol-Beseitigungs-Spritze, dachte er.
Und an sein Leben vor dieser, von ihm vor vielen Jahren bei Dr. Triddl vertraulich in Auftrag gegebenen Möglichkeit, den Alkohol schnell wieder aus seinem Blut zu entfernen, dachte er nur ungern zurück.
Manchmal fragte er sich, ob er diese Erfindung mit allen teilen sollte, zumindest mit allen am Willkürherrschaftlichen Hof, aber eigentlich kam er dann immer zu dem Schluss, dass das nur Ärger bringen würde. Immerhin konnte er sich gut vorstellen, dass die Mehrheit der Angestellten im Willkürherrschaftlichen Staate dann siebenachtel der Zeit mit Alkohol trinken beschäftigt sein würde, und das andere Siebtel der Zeit mit Spritzen setzen. Und auch dieses Mal kam er wieder zu dem Schluss, dass er keinem davon erzählen würde.
Nach dem Abgang des Willkürherrschers hatte Fürchtedich IX. zur Sicherheit die Tür des Arbeitszimmers von innen abgeschlossen. Wenngleich er eigentlich keine Befürchtungen hatte, dass ihn jemand von Belang hier finden würde. Denn die Anzahl der Personen, die in das Arbeitszimmer kommen konnte, war ja überschaubar.
Zum einen war das der Willkürherrscher. Dem hatte er aber so viel Bohnenschnaps aufgedrängt, dass dieser definitiv für die nächsten Stunden zu nichts zu gebrauchen, und auch etliche Stunden danach noch nur höchst eingeschränkt denk- und lebensfähig sein würde.
Ansonsten war noch Gerolat hier zutrittsbevollmächtigt, aber der war auch sicher außer Gefecht gesetzt worden, das hatte ihm Dr. Triddl gerade eben versichert.
Und dann hatte die Schwester des Willkürherrschers noch einen Schlüssel zum Arbeitszimmer, den er selbst ihr vor Jahren hatte anfertigen lassen, ohne dass jemand davon wusste.
Die Schwester des Willkürherrschers war, wenn alles nach Plan lief, ja aber jetzt bei Jamel. Und ihr unerwartetes Erscheinen wäre ja auch ohnehin kein Problem.
Nach der Spritze, die ihn wirklich von Moment zu Moment hatte spürbar klarer werden lassen, war Fürchtedich IX. zu dem überdimensionierten Arbeitstisch gegangen und hatte sich ein paar seiner alten Einträge anzeigen lassen. Er lachte kurz, als er seinen Eintrag über die Entscheidung, einen Bohnengarten anlegen zu lassen durchlas.
Hiermit entscheide ich, dass wir einen Willkürherrschaftlichen Bohnengarten brauchen.
Mehr hatte er dazu nicht notieren lassen. Er klickte sich durch seine Vergangenheit, und wo er schon dabei war, und hier saß, sah er sich direkt auch ein paar Entscheidungen des Willkürherrschers an.
Fast entsetzt musste Fürchtedich IX. feststellen, wie harmlos die Regentschaft des Willkürherrschers war. Er hatte immer gedacht, dass man ihn nicht unterschätzen dürfe, aber das war ja wirklich Regieren nach Schema F. Keine richtigen Ideen, keine Neuerungen, kein Ausprobieren neuer Richtungen, keine Errungenschaften, keine Skandale.
»Was für ein Langweiler!«, stellte Fürchtedich IX. von oben herab fest. »Er wird vielleicht eines Tages den Namen ‚Nummersicherich I.‘ bekommen!«
Er schaute sich noch ein bisschen in den langweiligen Regierungspapieren und -erklärungen des Willkürherrschers um, als die Ellenbeuge wieder zu schmerzen begann.
Er nahm das als Zeichen und wandte sich nun seiner eigentlichen Aufgabe zu. Er drückte den grünen Knopf, den auch schon der Willkürherrscher gedrückt hatte, drückte aber gleichzeitig auch noch den orangefarbenen und den türkisen Knopf, die beide unter der Tischplatte angebracht waren. Denn nur wenn man diese drei Knöpfe gleichzeitig drückte, erbat man die gleichzeitige Verbindung mit den Herrschern der anderen beiden Staaten.
Sofort war in unaufhörlicher Wiederholung eine sanfte, weibliche Stimme zu hören.
»Einen Moment bitte, der General wird sofort informiert.«
»Tastschirm, Tisch!«, befahl Fürchtedich IX., der in diesem Moment bemerkte, wie sehr er seinen Job als Willkürherrscher doch vermisste.
Der Arbeitstisch verwandelte sich sofort zu einer Bildschirmoberfläche mit vielen Piktogrammen darauf.
»Vertikal, Tisch!«, rief Fürchtedich IX. schnell hinterher.
Er hatte nie verstanden, wer sich den Blödsinn mit dem Riesentisch als Tastschirm ausgedacht hatte, denn es war wohl klar, dass keiner alle Piktogramme aus dem Stand erreichen konnte, so groß wie
Weitere Kostenlose Bücher