Willst Du Normal Sein Oder Gluecklich
würden.
Gleichzeitig unterdrücken sie seit der Kindheit ihre Gefühle von Angst, Trauer, Wut, Ohnmacht, Schuld und Scham, Neid und Eifersucht und sie reißen sich zusammen. Ihre Körper zeigen folgerichtig Spuren und Blessuren: Die Gelenke schmerzen, der Körper ist übersäuert, die Bandscheiben ächzen, im Ohr pfeift der Tinnitus, der Hörsturz schlägt Alarm und das Herz sticht, fordert einen anderen Rhythmus und droht mit Infarkt. Der Mann leidet an einem traurigen oder bereits gebrochenen Herzen. Um sich angeblich etwas Gutes zu tun, laufen die normalen Männer in die Muckibude
oder hechelnd durch den Stadtpark, suchen den Kick im Marathon oder anderen Extremsportarten, um sich eine Scheinmännlichkeit vorzugaukeln, die ihnen Selbstbewusstsein und Halt geben soll.
Männer haben gelernt, ihre Schwächen und Schmerzen zu verdrängen, und halten durch, bis Körper und/ oder Psyche sie flachlegen. Burn-out-Syndrom, Depression und Panikattacken nehmen rapide zu und zwingen sie, sich endlich ihrem Innenleben zuzuwenden. Aber auch in dieser Verfassung versuchen die meisten noch, das Störende zu beseitigen, um bald wieder in die Tretmühle zu steigen. Tagsüber funktionieren und spuren sie, so gut es geht, und abends mutieren sie an der Türschwelle ihrer Wohnung entweder zum kleinen Jungen, zum Elefanten im Porzellanladen oder zum Tyrannen, der in den eigenen vier Wänden seiner unterdrückten Wut freien Lauf lässt. Den Vorwürfen und Forderungen ihrer Frauen fühlen sie sich meist hilflos und schuldbewusst ausgeliefert, bekommen die Zähne nicht auseinander und flüchten in Schweigen und Resignation, in den Keller, in die Garage, vor den Bildschirm von TV oder PC oder in eine der vielen Süchte. Dort suchen sie vergeblich die Leere zu füllen, die sich in ihnen breitgemacht hat. Und weil sie tagsüber nicht ausdrücken können, was sie in der Seele bewegt, müssen sie es nachts lautstark schnarchend der Welt verkünden.
In ihrem Innern sind sie aufs Höchste mit ihrer Mutter verstrickt, leiden bis heute an ihrem schwachen, in der
Kindheit abwesenden oder dominanten Vater, dessen Anerkennung und Liebe sie nie erhielten, und haben als Vierzig- oder Fünfzigjährige oft das Gefühl, ihr Leben vergeigt zu haben. Das wiederum können sie sich nicht offen eingestehen und müssen es vor sich selbst verstecken. Das Gefühl der Peinlichkeit und der Scham mischt sich mit Groll und Hader und macht sie im Außen, im Straßenverkehr oder in Auseinandersetzungen mit Frau, Kindern oder Kollegen aggressiv. Aber ihre Aggressionen zeigen nur, wie viele Ängste in ihnen rumoren.
In jedem Mann steckt ein kleiner Junge, der selten ein lebendiger, gefühlvoller Junge sein durfte, und dem niemand sagte, was ein richtiger Mann ist. Die rhetorische Frage »Du willst doch ein richtiger Junge sein, oder?« signalisierte ihm mit aller Deutlichkeit, dass ein verspielter, verletzlicher, ängstlicher, trauriger oder verträumter Junge nicht erwünscht war. Und Tränen waren das allerletzte für ihn. Deshalb verschloss er schon früh sein Herz, stoppte den Fluss von Gefühlen und Tränen und fing an, sich seinen Kopf darüber zu zerbrechen, wie er zu Anerkennung und Bestätigung und vielleicht zu etwas Liebe kommen könnte. So verlief der Weg der meisten Männer hin zum normalen Mann. Sie stürzten sich in die Arbeit, um Anerkennung und Bestätigung zu erlangen, die sie von ihren Vätern nie erhielten.
Der von sich und seinem Mann-Sein begeisterte Mann, der mit Liebe zu sich selbst und zu seinen Mitmenschen aufrichtig und aufrecht, mit klarem Verstand
und warmherzig durch sein Leben geht, ist eine Spezies, die man unter Artenschutz stellen müsste, weil sie so selten bei uns anzutreffen ist. Der normale Mann jedoch steht heute mit dem Rücken zur Wand und fragt sich, was denn nur schiefgelaufen ist auf seinem Weg. Denn er hat doch versucht, es so gut wie er konnte und wie er es wusste zu machen. Die Anleitung zum Mann-Sein hieß: »Streng dich an, sei erfolgreich, verdiene gutes Geld, such dir eine Frau, schließe Versicherungen ab, nimm einen Kredit auf und zahl die Wohnung oder das Haus ab.« Unzählige Männer sind diesem Programm gefolgt, aber glücklich sind sie dabei nicht geworden, im Gegenteil. Sie marschieren und funktionieren wie seelenlose Wesen, wie Roboter, als Rädchen in einem Getriebe, das sie im Grunde hassen, und haben nicht das Gefühl, ein freier Mann zu sein. Selbst im Bett plagt sie der Leistungsdruck, wenn
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