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Willy Brandt: Ein Leben, ein Jahrhundert (German Edition)

Willy Brandt: Ein Leben, ein Jahrhundert (German Edition)

Titel: Willy Brandt: Ein Leben, ein Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Joachim Noack
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selben Strang ziehen».

    Für die Wochen des Bundestagswahlkampfs, in dem zum ersten Mal der Christdemokrat Helmut Kohl unter dem Motto «Freiheit oder Sozialismus» gegen das von der SPD propagierte «Modell Deutschland» antritt, ist das sicher zutreffend. Brandt verteidigt nicht nur den rigiden Sparkurs und das demonstrativ nüchterne Zweckmäßigkeitsdenken der Koalition, er bringt es sogar fertig, das Lieblingsprojekt der Linken, den heftig umstrittenen theorielastigen «Orientierungsrahmen 85», auf die lange Bank zu schieben und seinen Reihen somit zu einer bis dahin selten erlebten Geschlossenheit zu verhelfen.

    Der SPD -Chef hält dem Kanzler Schmidt weiter die Stange: Willy Brandt am Abend der Bundestagswahl 1976 in der TV -Runde der Parteivorsitzenden.
    Zustatten kommt ihm dabei neben der nach wie vor ungeschmälerten innerparteilichen Autorität das beträchtliche internationale Renommee. Als Bonner Regierungschef bereits in der Krise, hat er den portugiesischen Genossen im Frühjahr 1973 ermöglicht, im nordrhein-westfälischen Bad Münstereifel eine «Partido Socialista» zu gründen, die sich mit umfänglicher finanzieller Unterstützung durch die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung nach der Befreiung ihres Landes vom Joch der Diktatur zur entscheidenden politischen Kraft erhebt. In ähnlich aufopferungsvoller Weise steht er nun seit dem Tod des Generals Franco auch der «Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens» zur Seite.
    So wächst er zusehends in die Rolle eines allseits geachteten Elder Statesman hinein, der für sich in Anspruch nehmen darf, seine Kontakte etwa zu Henry Kissinger und Leonid Breschnew genutzt und beiden von waghalsigen Schritten abgeraten zu haben: Dass die Vereinigten Staaten, die im Südwesten Europas um ihre Nato-Stützpunkte bangen, auf eine bewaffnete Intervention schließlich verzichten und die Kreml-Herren sich ihrerseits scheuen, einer ersten «Volksdemokratie» in Lissabon den Boden zu bereiten, liegt nicht zuletzt an Willy Brandt.
    Da überrascht es kaum noch, wenn dem erfahrenen Entspannungsstrategen alsbald ein weiteres ehrenvolles Amt angetragen wird. Olof Palme und Bruno Kreisky, die Regierungschefs Schwedens und Österreichs, drängen den Bonner Freund zur Kandidatur für den Vorsitz der «Sozialistischen Internationale», den seit längerem in kleinliche Richtungskämpfe verstrickten Verbund mehrheitlich europäischer sozialdemokratischer Parteien und politisch verwandter Formationen. Dem soll drei Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch des «Dritten Reichs» ausgerechnet ein deutscher Genosse einen festeren inneren Halt geben – eine Offerte, die ihn trotz anfänglicher Bedenken so reizt, dass er den strapaziösen Job letztlich gerne annimmt.
    Wenige Monate nach seiner Wahl im November 1976, mit der sich die SI vor allem um die sträflich vernachlässigten Entwicklungsländer zu kümmern beginnt, beruft ihn der Weltbankpräsident Robert McNamara darüber hinaus zum Leiter einer sogenannten Nord-Süd-Kommission. Unter Brandts Federführung erarbeitet ein Expertenteam im Auftrag der Vereinten Nationen Vorschläge, wie einer gerechteren globalen Wirtschaftsordnung der Weg geebnet werden kann. Zwar lassen die Industriestaaten den Bericht, den er im Frühjahr 1980 dem UN-Generalsekretär Kurt Waldheim übergibt, rasch in ihren Schubladen verschwinden, aber der anerkannte Ost-West-Experte gilt nun auch in Fragen von Arm und Reich als unbestrittener Spezialist.
    Seine «Formschwäche» im eigenen Land scheint er unterdessen ebenfalls überwunden zu haben. Sosehr ihn der Verlust des Regierungsamts gelegentlich noch verdrießt und sich die Kontakte zu Herbert Wehner weiterhin auf ein Mindestmaß beschränken, so auffällig reibungslos funktioniert die Arbeitsteilung mit dem neuen Chef der Exekutive. Nach seinem knappen Sieg über Kohls CDU hält es Helmut Schmidt für angezeigt, sich bei seinem Vorgänger ausdrücklich zu bedanken. Die stille Selbstbescheidung, mit der sich Brandt während der zum Glaubenskrieg aufgeputschten Wahlkampagne hinter ihn stellte und immer wieder die Rolle des «Ausputzers» übernahm, hatte er in dieser Eindeutigkeit offenbar nicht erwartet.
    Das nach seinem Rücktritt noch gewachsene supranationale Prestige lässt den Vorsitzenden über unvermeidliche Querelen großzügig hinwegsehen, und im Übrigen liefert ihm der Kollege ja auch wenig Gründe zur Klage. Vor allem im Terrorjahr 1977, dem schicksalsträchtigen «Deutschen Herbst», zeigt der bis

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