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Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Wilsberg 03 - Gottesgemuese

Titel: Wilsberg 03 - Gottesgemuese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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können Dinge tun, von denen ein normaler Mensch nur träumt. Aber reicht das?«
    Sie machte eine Kunstpause. Niemand wagte zu husten.
    »Nein, es reicht nicht. Denn das Gemüse ist nicht untätig. Es ruiniert die Erde. Es führt Kriege, zerstört die Umwelt, stopft sich mit Drogen voll, bringt sich gegenseitig um. Noch zehn Jahre, vielleicht zwanzig Jahre – und die Erde ist im Eimer. Deshalb genügt es nicht, einzelne Menschen zu trainieren.
    Das hat auch Ross W. Stocker gesehen. Und er kam auf einen großartigen Gedanken: Die Erde muss trainiert werden.«
    Sie fixierte mich mit einem durchdringenden Blick.
    »Wer ist der Trainer? Genau! Wir, liebe Brüder und Schwestern, sind der Trainer, die Kirche für angewandte Philosophie. Wir, und nur wir, sind in der Lage, die Erde zu retten.
    Aber dazu brauchen wir Macht, viel Macht. Und Geld, viel Geld, denn unsere Feinde sind reicher und mächtiger als wir. Es liegt an euch, ob wir die Macht erringen. Was ist euch lieber? Das zweite Auto? Das Häuschen im Grünen? Oder die Rettung der Erde? Entscheidet euch! Entscheidet euch bald, denn wir haben nicht mehr viel Zeit! Ich danke euch für eure Aufmerksamkeit!«
    Beifall setzte ein, und Sonja Zimmermann lächelte. »Danke, vielen Dank! Aber dankt nicht mir, dankt Ross W. Stocker! Wir machen jetzt eine kurze Pause. Anschließend informiere ich euch über die Geistwesen-Kurse in Schloss Blackhill in England.«
    Ich wollte mich den anderen anschließen, die den Saal verließen, als Sonja Zimmermann neben mir auftauchte.
    »Ach, Herr Wilsberg, dürfte ich kurz mit Ihnen sprechen?«
    Ich sagte nicht Nein.
    »Sie sind heute erst eingetreten, nicht wahr?«
    »Der Informationsfluss innerhalb der Kirche funktioniert ja hervorragend«, sagte ich.
    »Nun ja«, sie lächelte knapp, »die Organsisationsleitung vor Ort hat die Pflicht, uns Ordensleute zu informieren. Aber ich wollte Sie etwas anderes fragen. Sie haben gesagt, dass Sie ein Freund von Martin Kunstmann sind.«
    »Ein Bekannter«, korrigierte ich sie.
    »Wie dem auch sei, wir haben ihn gefragt, aber er kennt Sie nicht.«
    »Das ist gut möglich. Ich habe ihn auf einer Party kennengelernt. Da waren auch viele andere Leute. Ich weiß nicht mal, ob ich mich vorgestellt habe.«
    »Hmm.« Sie guckte mich misstrauisch an. »Wissen Sie, die KAP hat eine Menge Feinde. Nicht nur die anderen Kirchen, die Psychologen und die Psychiater bekämpfen uns, weil sie unsere Konkurrenz fürchten, es gibt auch Journalisten, die sich bei uns einschleichen, um dreckige Geschichten zu schreiben.«
    »Ich bin Jurist«, sagte ich. »Ich arbeite in der Rechtsabteilung eines Kaufhauskonzerns.«
    »Ich wollte Sie nicht verdächtigen. Aber Sie verstehen, dass wir solche Angaben überprüfen?«
    »Natürlich. Das würde ich an Ihrer Stelle auch machen. Wo ist Herr Kunstmann denn im Moment?«
    Jetzt hatte ich allen Kredit bei ihr verloren. »Warum wollen Sie das wissen?«
    »Aus keinem besonderen Grund. Falls er hier ist, würde ich mich gerne mal mit ihm unterhalten.«
    Sie verschränkte die Arme. »Er ist nicht hier.«
    »War ja nur eine Frage. Ich glaube, das mit den Geistwesen-Kursen schenke ich mir für heute. Ich muss erst noch ein bisschen trainieren.«
    Ihr Blick bohrte sich in meinen Rücken, als ich ging.

IV
    Am nächsten Morgen rief ich um neun Uhr im Büro an und fragte Sigi, ob sich in der Juweliersgeschichte etwas getan habe. Sigi verneinte, Koslowski und Eger würden den Juwelier 24 Stunden am Tag beobachten, aber er habe bislang keinen Handschlag unternommen, um die möglicherweise von ihm selbst geklauten Steine an den Hehler zu bringen. Ich sagte, sie solle die Stellung halten, der Fall Kunstmann würde mich noch ein paar Tage in Anspruch nehmen. Sie erzählte etwas von Sekretärinnen, die die Arbeit ihrer Chefs erledigten und wie polnische Putzfrauen bezahlt würden, und ich konterte, dass ich gerade dabei sei, unserer beider Brötchen zu verdienen. Dann zog ich ein weißes Hemd an, band eine Krawatte um und legte meinen dunkelblauen Leinen/Seiden-Anzug an, den ich für besondere Ereignisse im Schrank habe. Zusammen mit dem hellen Trenchcoat und dem breitkrempigen Hut gab ich den toughen und überaus erfolgreichen Privatdetektiv ab, der sich auf den Weg zur Sächsischen Versicherung machte.
    Der Versicherungspalast stand auf der grünen Wiese, ungefähr in der Mitte zwischen Innenstadt und Coerde, umgeben von Baustellen und anderen Verwaltungsgebäuden. Ich parkte für Besucher,

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