Wilsberg 12 - Wilsberg und die Schloss-Vandalen
Nieswind umgebracht hat? Wäre doch schön blöd von ihm, einen Privatdetektiv zu engagieren, der ihn selbst ans Messer liefert.«
»Da wusste er ja noch nicht, dass die Anschläge auf das Schloss mit dem Leichenfund zusammenhängen.«
»In Ordnung«, gab sich Stürzenbecher geschlagen. »Aber glaubst du nicht, dass der Graf eine Möglichkeit gefunden hätte, die Leiche endgültig verschwinden zu lassen? Überleg mal, wie riesig die gesamte Anlage ist! Und nur ein Teil davon ist der Öffentlichkeit zugänglich. Ich wette, es gibt Stellen im Schloss oder im Schlosspark, die seit Jahrzehnten kein Mensch mehr betreten hat.«
»Ich möchte ja nur, dass du dich nach Wolfgang Nieswind erkundigst«, bat ich. »Ist er wirklich nach Australien ausgewandert? Und was macht er heute? Du verschickst ein paar E-Mails ...«
»Was für Dinger?«
»Dann von mir aus Telefaxe oder welche vorsintflutliche Art der Kommunikation ihr bei der Kripo heute noch verwendet ...«
Stürzenbecher stöhnte. »Montag. Keine Minute vor neun Uhr.«
Damit erklärte ich mich einverstanden.
Kaum hatte ich es mir auf dem Bett gemütlich gemacht, klingelte das Telefon. Es war Christine Schmidt, die sich erkundigte, ob ich den morgigen Sonntag mit ihr und ihrer Tochter Maria verbringen wollte. Ein Ausflug nach Holland, echt holländische Pommes frites, ein Spaziergang und ein Abstecher zu einem Fun-Bad, in dem malerische Palmen einen naturecht gestalteten Pool umstanden, abschließend vielleicht ein Essen in einem chinesisch-indonesischen Restaurant.
Ich sagte, dass ich wasserscheu sei und im Moment unheimlich viel zu tun hätte.
»Du wolltest mich also nur ein bisschen ausquetschen und dann wieder in die Wüste schicken?« Es sollte locker und scherzhaft klingen, aber der beleidigte Unterton war nicht zu überhören.
Ich redete drum herum und mich heraus, versicherte ihr, dass sich sicher bald eine Gelegenheit ergeben würde, sich zu treffen, und nach fünf Minuten hatte ich das Gefühl, sie einigermaßen besänftigt zu haben.
Ermattet bettete ich meinen Kopf auf das Kopfkissen. Meine eigene Tochter kam mir in den Sinn. Ich hatte vergessen, mich bei meiner Exfrau Imke abzumelden. Denn nach unserem Besuchsplan hätte Sarah dieses Wochenende bei mir verbringen sollen. Ich überlegte kurz, ob ich Imke anrufen sollte. Das zu erwartende Ergebnis, eine Aufzählung meiner Schwächen von Gedankenlosigkeit über Frechheit und Unverschämtheit bis zu Verantwortungslosigkeit, ließ mich davor zurückschrecken.
Ich schaute auf die Uhr. Noch zwei Stunden bis zur Bundesliga. Anstatt mich mit finsteren Gedanken im Bett zu wälzen, konnte ich genauso gut dem Grafen noch einmal auf den Wecker fallen.
Eine Haushälterin, Gouvernante oder wie auch immer diese strengen älteren Damen in adeligen Haushalten heißen, fing mich an der Tür zum privaten Teil des Schlosses ab.
»Die gräfliche Familie sitzt beim Nachmittagstee. Auch der junge Graf und die Tochter sind erschienen. Ich glaube nicht, dass Ihr Besuch jetzt gelegen kommt.«
»Der Graf hat mir versichert, dass ich ihn jederzeit stören dürfe«, widersprach ich.
Die Wahl, eine von zwei widersprüchlichen Anweisungen zu ignorieren, schmeckte ihr gar nicht. Sie wiegte ihren Kopf, der von einer Frisur gekrönt wurde, die wahrscheinlich jedem Tornado widerstanden hätte.
»Na gut. Ich werde Sie anmelden.«
Nach einem längeren Fußmarsch standen wir vor einer zweiflügeligen Glastür, die zu einer Art Wintergarten führte. »Warten Sie bitte hier!«
Sie verschwand im Inneren und näherte sich einem Tisch, an dem vier Personen saßen. Die Frau neben dem Grafen sah blass und kränklich aus. Bei dem gelackten jungen Mann konnte es sich logischerweise nur um Sohn Wilhelm, den Juristen und Versicherungsmanager, handeln. Zu diesen dreien, die gekleidet waren, als wollten sie gleich zu ihrer Privatloge im Opernhaus aufbrechen, bildete Anke Schwelm, die wieder Jeans und T-Shirt trug, einen beißenden Kontrast.
Der Graf blickte über seine Schulter und ich winkte jovial zurück. Dann sagte er etwas zu der Hausdame und zuckte ergeben mit den Schultern.
»Sie dürfen eintreten«, verkündete die Botin, nachdem sie die Strecke bis zur Glastür würdevoll zurückgelegt hatte.
»Gibt es auch Kuchen?«, fragte ich.
»Von einem Gedeck hat der Herr Graf nichts erwähnt«, versetzte sie scharf. Offenbar hielt sie mich für die Wiedergeburt eines Pferdeknechtes.
Ich lächelte sie an und schlenderte zu der gräflichen
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