Wilsberg 13 - Wilsberg isst vietnamesisch
euch wohl nicht?«
»Das kann man so sehen.« Ich lächelte. »Und nun zu dir. Hast du einen Wunsch, den man mit Geld erfüllen kann?«
Sie zählte eine Reihe von ungesunden Dingen auf. Ich nahm an, dass der Kiosk im Erdgeschoss auf derlei Perversitäten eingestellt war, und wollte mich gerade auf den Weg machen, als Ludger Schulte-Notarp das Zimmer betrat. Der Pferdezüchter trug sein Seidenhalstuch, war frisch geföhnt und strahlte Franka an: »Bin ich froh, dass Sie schon wieder lachen können.«
»Ach ja.« Franka griff sich theatralisch an den Kopf. »Ein bisschen tut's noch weh.«
Schulte-Notarp tätschelte ihre Hand.
Als ich mit Eis, Cola und Schokolade zurückkam, hielt er noch immer ihre Hand. Die beiden schienen sich während Frankas Aufenthalt in Rinkerode näher gekommen zu sein.
Ich stellte die Sachen polternd auf dem Schränkchen neben Frankas Bett ab und Schulte-Notarp ging ein wenig auf Distanz. Franka wiederholte gerade die Geschichte, die sie der Kommissarin erzählt hatte. Diesmal klangen die Ereignisse schon wesentlich dramatischer. Als sie zu der Stelle kam, an der der Täter geflucht hatte, machte der Gestütsbesitzer ein verdutztes Gesicht.
»Was hat er genau gesagt?«
»Ich kann die Kehllaute nicht so gut«, schränkte Franka ein. »Es klang etwa so: Chott verdorrich! «
»Chott verdorrich!«, wiederholte Schulte-Notarp. Bei ihm hörte es sich authentischer an.
»Kennen Sie den Mann?«, fragte ich.
»Ich weiß nicht. Viele Bauern reden so.«
»Aber nicht viele Bauern haben ihre Pferde bei Ihnen stehen.«
»Das ist richtig.«
»Sie haben doch einen Verdacht, oder?«
»Es gab mal einen Bauern, Lüttge-Fahlenhorst hieß er, der hatte sich finanziell völlig übernommen und ein sehr teures Pferd gekauft, für seine unbegabte Tochter, die sich einbildete, sie könnte eine gute Springreiterin werden. Das Pferd ist in meinem Stall gestorben, an einer Kolik. Es war nicht ausreichend versichert. Lüttge-Fahlenhorst hat mich beschuldigt, ich hätte das Tier absichtlich verenden lassen. Das war natürlich Unsinn.«
»Wie lange ist das her?«
»Etwa zwei Jahre.«
»Trotzdem wäre es möglich, dass Lüttge-Fahlenhorst sich an Ihnen rächen will, indem er Ihre Pferde tötet. Sie sollten dieser Kommissarin Bleicher von Ihrem Verdacht erzählen.«
»Das werde ich.« Schulte-Notarp wandte sich wieder Franka zu.
»Ach«, sagte ich. »Falls Sie in nächster Zeit nach Rinkerode zurückfahren, würde ich gerne mitkommen. Mein Auto steht noch vor dem Stall.«
»Tja«, sagte der Gestütsbesitzer enttäuscht. »Dann fahren wir am besten gleich.«
Auch Franka sah irgendwie enttäuscht aus. Das gab mir zu denken.
Während der Fahrt nach Rinkerode redete Schulte-Notarp über die Maul- und Klauenseuche, unter der er zu leiden habe, obwohl noch kein einziges Pferd in Europa daran erkrankt sei. Alle Tiertransporte seien untersagt, Reit- und Springturniere würden abgesagt, Pferdemärkte und -auktionen könnten nicht stattfinden. Seit Wochen habe er kein einziges Tier mehr verkauft, das verursache zusätzliche Kosten für Futter und Pflege bei ausbleibenden Einnahmen. Ich hörte nur mit halbem Ohr zu, Pferde gehörten nicht zu den Lebewesen, die mir besonders am Herz lagen. Zum Abschied riet ich ihm noch einmal, Kommissarin Bleicher anzurufen. Er versprach, das sofort zu erledigen.
Helga Dickmöller hatte auf dem Pleistermühlenweg gewohnt, keine fünfhundert Meter von ihrer Nichte Jessica entfernt. Es war ein älteres, dreigeschossiges Haus. Eines der sechs Namensschilder war vor kurzem erneuert worden, ich drückte auf die Klingel darüber, die nach meiner Schätzung zu der Nachbarwohnung gehören musste.
Die Tür sprang auf und ich erklomm die Treppenstufen. Auf dem Treppenabsatz wartete eine ältere, hagere Frau in rosafarbener Strickjacke. Etwas Besseres hätte mir gar nicht passieren können.
»Frau Liesenkötter?«, fragte ich vertraulich.
»Ja. Was ist denn?«
»Guten Tag.« Ich streckte ihr meine Hand entgegen. »Mein Name ist Dickmöller.«
»Dickmöller?« Hinter der dicken Hornbrille weiteten sich ihre Augen vor Schreck.
»Helga war meine Tante. Zweiten Grades«, fügte ich hinzu, nachdem ihre Schrecksekunde abgeklungen war. »Und Jessica meine Kusine.«
»O Gott!«, entfuhr es ihr.
»Ich bin erst vor einigen Tagen von einem längeren Amerikaaufenthalt zurückgekehrt.«
»Das muss ja schrecklich für Sie gewesen sein?«
Ich nickte traurig.
»Kommen Sie doch herein!«, bat
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