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Wilsberg 13 - Wilsberg isst vietnamesisch

Wilsberg 13 - Wilsberg isst vietnamesisch

Titel: Wilsberg 13 - Wilsberg isst vietnamesisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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sie.
    »Nein, nein«, zierte ich mich. »Ich will wirklich nicht stören.«
    »Aber Sie stören doch nicht. Eine alte Frau wie ich hat viel zu viel Zeit.«
    Brav folgte ich ihr ins Wohnzimmer, das mit Möbeln und Erinnerungen aus mindestens sechs Jahrzehnten voll gestellt war.
    »Möchten Sie einen Kaffee?«
    »Wenn Sie gerade einen dahaben.«
    »Und ein Stück Torte?«
    »Machen Sie sich bitte keine Umstände!«
    »Das macht doch keine Umstände«, empörte sie sich. »Ich habe die Torte schon aus der Kühltruhe geholt. Weil meine Enkel heute Nachmittag kommen.«
    Die Torte bestand aus einem Fettmantel, der einen vereisten Kern umgab. Es fiel mir nicht leicht, sie mit einem Ausdruck der Verzückung zu lutschen und dabei lobende Laute von mir zu geben. Allerdings wusste ich aus Erfahrung, dass man die Herzen älterer Damen am ehesten brechen kann, wenn man ihre Torten vertilgt.
    »Frau Dickmöller hat mir gar nichts von einem Neffen in Amerika erzählt«, bemerkte meine Gastgeberin.
    »Wir hatten keinen sehr engen Kontakt«, sagte ich um ein Eisstück herum. »Jessica hat mir natürlich geschrieben, als Helga gestorben ist. Ich habe sogar überlegt, ob ich zur Beerdigung kommen soll. Aber dann musste ich ganz dringend nach San Diego.«
    Frau Liesenkötter hing an meinen Lippen.
    Ich schob das Eisstück in die Backe. »Sie können sich vorstellen, wie geschockt ich war, als ich hier ankam und erfahren habe, dass auch Jessica tot ist.«
    Sie zog ihre Strickjacke enger um die schmalen Schultern. »Ermordet. Von ihrem Ehemann. Zu meiner Zeit wäre so etwas nicht möglich gewesen.«
    »Ich frage mich, wie das geschehen konnte«, sagte ich nachdenklich.
    »Sie war so eine nette junge Frau«, stimmte Liesenkötter zu.
    »Hat sie Helga oft besucht?«
    »Nein. Alle paar Wochen, vielleicht. Manchmal ist auch ihr Mann mitgekommen. Eigentlich sah er ganz harmlos aus. Aber der äußere Eindruck kann täuschen. Denken Sie an diese Unmenschen, die sich an kleinen Kindern vergreifen.«
    »Wie wahr!«
    Ich spießte das letzte Stück Torte auf und spürte, dass mein Magen revoltierte. Eistorte am Morgen war er nicht gewöhnt.
    »Und meine andere Kusine, Susanne Klotz?«
    »Ach, die!« Liesenkötter winkte ab. »Die durfte sich hier nicht mehr blicken lassen.«
    »Tatsächlich?«
    »Frau Dickmöller hat sie hochkant rausgeworfen. Schon vor über einem Jahr. Ich stand zufällig an der Tür und habe den Krach mitbekommen.«
    »Und an den Tagen vor Helgas Tod war Susanne nicht da?«
    »Nein, bestimmt nicht.«
    Ich seufzte. »Ich hoffe nur, dass Helga nicht allzu sehr leiden musste.«
    »Da kann ich Sie beruhigen. Sie ist ganz friedlich gestorben. Am Tag vorher hatte sie einen Schnupfen, das war alles.«
    »Waren Sie dabei, als sie starb?«
    »Nicht direkt. Frau Kentrup hat bei mir geschellt und ...«
    »Wer ist Frau Kentrup?«, fragte ich erstaunt.
    »Frau Kentrup ist eine allein stehende Dame, die sich ein bisschen um die älteren Mitglieder der Gemeinde kümmert. Der Kirchengemeinde von Sankt Mauritz«, fügte sie erklärend hinzu.
    »Aha. Und Frau Kentrup hat Helga gefunden?«
    »Ja. Das heißt, wir beide zusammen.« Liesenkötter blühte richtig auf. Wahrscheinlich kam es nicht oft vor, dass ihr jemand aufmerksam zuhörte.
    »Das war so: Frau Kentrup hatte ja einen Schlüssel von der Wohnung und ...«
    »Wieso hatte sie einen Schlüssel von der Wohnung?«, unterbrach ich ihren Redefluss.
    »Für den Notfall. Frau Dickmöller war es lieber so. In unserem Alter weiß man ja nie. Da liegt man plötzlich hilflos auf dem Boden und niemand kommt herein. Ich habe ja eine Tochter, die jeden Tag anruft.«
    »Das leuchtet mir ein«, nickte ich.
    »Frau Kentrup wusste, dass Frau Dickmöller zu Hause sein musste«, fuhr Liesenkötter fort. »Aber sie wollte nicht einfach so in die Wohnung gehen, verstehen Sie? Deshalb hat sie bei mir geschellt und wir sind gemeinsam hineingegangen. Was soll ich sagen?« Sie nahm die Brille ab und rieb sich das rechte Auge. »Frau Dickmöller lag in ihrem Bett. Sie sah aus, als würde sie schlafen. Ein schöner Tod, wirklich.«
    »Herrschte in der Wohnung Unordnung? Sah es aus, als ob sie durchsucht worden wäre?«
    »Wie kommen Sie darauf?« Zum ersten Mal glomm so etwas wie Misstrauen in ihren Augen.
    »Sie glauben nicht, wie viel Böses es in der Welt gibt. Ich komme aus Amerika. Ich weiß, wovon ich rede. Da passiert so etwas jeden Tag.«
    »Aber was denn?«, fragte sie entgeistert.
    »Einbrecher, die die

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