Wilsberg 13 - Wilsberg isst vietnamesisch
Rechtsanwalt.«
»Aber ich bin immer noch Jurist. Sagen wir, Sie beschäftigen mich als juristischen Berater. Auf freiberuflicher Basis, selbstverständlich.«
Nach einigen Stoßseufzern von seiner Seite waren wir uns einig.
Anschließend setzte ich mich an den Computer und tippte den Bericht. Da sich Franka unbedingt nützlich machen wollte, gab ich ihr den Auftrag, den hundert Namen, die ich aus Kentrups Notizbuch abgeschrieben hatte, abzüglich der bereits Verstorbenen, Adressen und möglichst viele Personendaten zuzuordnen. Damit war sie erst einmal eine Weile beschäftigt.
Nach dem Austausch der Papiere in Kachelpöhlers mit reichlich Marmor und Tropenholz ausgestatteten Büroräumen fuhr ich zum Untersuchungsgefängnis. Hauptkommissar Stürzenbecher hatte es aufgegeben, Rainer Wiedemann ein Geständnis zu entlocken, war aber offenbar gemeinsam mit dem Staatsanwalt und dem Untersuchungsrichter der Auffassung, dass die Beweise für einen Indizienprozess ausreichen würden.
Entsprechend gereizt und aggressiv reagierte Wiedemann: »Die Polizei hat sich auf mich eingeschossen. Was tun Sie eigentlich für mein Geld? Ich will hier raus, verdammt noch mal.«
»So schnell geht das nicht, Herr Wiedemann.«
»Heißt das, Sie haben nichts erreicht?«
»Ihr Anwalt hat vorhin einen Bericht bekommen. Ich verfolge einige Spuren im Zusammenhang mit dem Tod von Helga Dickmöller.«
Er schüttelte genervt den Kopf. »Was soll das? Dauernd kommen Sie mir mit Tante Helga. Ich verstehe nicht, was das mit meinem Fall zu tun hat.«
»Die Sache ist kompliziert«, gab ich zu. »In Sankt Mauritz hat es einige seltsame Todesfälle gegeben. Betroffen waren ausschließlich ältere Damen. Möglicherweise hat Jessica nach dem Tod ihrer Tante etwas gehört oder gesehen, das sie in Kontakt mit dem Mörder oder der Mörderin gebracht hat. Dann hätten wir ein Mordmotiv. Der Mörder könnte Jessica beseitigt haben, weil sie zu viel wusste.«
»Ist das nicht sehr weit hergeholt?«, fragte Wiedemann.
»Einen leichteren Weg sehe ich im Moment nicht. Überlegen Sie mal! Wo könnte Jessica etwas aufgeschnappt haben?«
»Vielleicht bei der Arbeit«, schlug Wiedemann vor.
»Bei welcher Arbeit?« Dass Jessica berufstätig gewesen war, hatte ich völlig übersehen.
»Na, sie hat doch als Arzthelferin bei Doktor Thalheim gearbeitet.«
Ich beschimpfte mich stumm als Idioten. »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«
»Sie haben mich ja nicht danach gefragt.«
Da hatte er Recht.
Ich lehnte mich zurück. »Ich glaube, das ist ein wichtiges Bindeglied. Thalheim hat die Totenscheine der Verstorbenen ausgestellt. Er muss etwas gewusst oder geahnt haben. Dann lässt er in der Praxis eine entsprechende Bemerkung gegenüber seinen Angestellten fallen. Und Jessica zieht ihre Schlüsse daraus. Hat sie nie mit Ihnen darüber gesprochen?«
»Nein, nie.«
Trotzdem war ich sicher, dass ich der Lösung einen entscheidenden Schritt näher gekommen war.
Die Sprechstunde von Doktor Thalheim dauerte heute bis achtzehn Uhr. Eine halbe Stunde später verließen die Arzthelferinnen das Haus, in dem sich die Praxis befand. Ich entschied mich für diejenige, die mich schon kannte. Das würde den Einstieg leichter machen. Immerhin hatte sie mich belogen.
Ich wartete, bis sie in ihren kleinen, mintfarbenen Nissan gestiegen war, und folgte ihr dann über die Wolbecker Straße in die Innenstadt. Fünf Minuten lang kreisten wir auf der Suche nach Parkplätzen durch das Ostviertel. Die größte Schwierigkeit bei solchen Beschattungen mit dem Auto bestand nicht darin, das zu verfolgende Auto im Auge zu behalten, sondern gleichzeitig mit der Zielperson einen Parkplatz zu finden. Sie fand einen, ich nicht.
Also stellte ich meinen Wagen verbotswidrig vor einer Einfahrt ab und sprintete zu dem Haus, in dem die Arzthelferin verschwunden war. Ich musste nur dreimal klingeln, bis ich vor der richtigen Tür stand. Sie hieß Yvonne Krämer, hatte ihren Mantel noch nicht ausgezogen und hielt eine kleine Katze im Arm, die mich aus grünen Augen misstrauisch anguckte.
Krämer wurde bleich. »Was wollen Sie?«
»Mit Ihnen reden.«
»Ich habe Ihnen nichts zu sagen.«
»Ich bin Privatdetektiv.« Ich zeigte ihr meinen Ausweis, diesmal den richtigen. Ausweise hatten in der Regel eine beruhigende Wirkung, weil in den Filmen immer die Guten ihre Ausweise zeigten.
Die Arzthelferin blieb unschlüssig. Ich nahm ihr die Entscheidung ab, indem ich mich in die Wohnung drängte und
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