Wilsberg 13 - Wilsberg isst vietnamesisch
sehe schon die Gerichtsverhandlung vor mir. Als Kronzeugin tritt eine Drogensüchtige auf, die behauptet, ihre Schwester habe einen Ehestreit gehabt. Und dann kommt eine Vietnamesin, die gefühlsmäßig davon überzeugt ist, dass Jessica einen neuen Freund gehabt hat. Glaubst du, der Staatsanwalt lässt sich auf so was ein?«
»Ich bin erst am Anfang meiner Ermittlungen«, erwiderte ich ärgerlich. »Der Dreh- und Angelpunkt ist die Frage, ob Jessica tatsächlich ermordet wurde. Und dazu brauchen wir eine Obduktion.«
»Warum bezahlt die Schwester die Sektion nicht selbst? So etwas ist ohne weiteres möglich, kostet rund tausendfünfhundert Mark, allerdings ohne spezielle Untersuchungen.«
»So viel Geld hat sie nicht.«
»Und womit bezahlt sie dich?«
»Das ist ein anderes Problem.«
Stürzenbecher schüttelte den Kopf. »Wilsberg, Wilsberg, du bist ganz schön weit unten, stimmt's?«
»Ich bin davon überzeugt, dass an der Geschichte etwas faul ist«, überging ich seine letzte Bemerkung. »Und du kannst die Sache nicht als Lappalie abtun. Eine neunundzwanzigjährige Frau stirbt nicht so einfach. Wo bleibt dein kriminalistisches Gewissen?«
Er lehnte sich zurück. »Der Ehemann hat selbst die Polizei verständigt. Warum sollte er das tun, wenn er etwas zu verbergen hat?«
»Um von sich abzulenken, natürlich.«
Der Hauptkommissar kraulte seine Tränensäcke. Mein Appell an seine Moral war nicht wirkungslos verhallt. »Falls die Leiche schon unter der Erde ist, wird's ganz schwierig. Eine Exhumierung kriege ich nur mit handfesten Beweisen durch.«
»Aber vielleicht ist sie noch nicht unter der Erde.«
»Okay«, sagte er schließlich. »Weil du es bist.«
Dann telefonierte er eine Weile herum, bis er das Beerdigungsinstitut ausfindig gemacht hatte, das den Auftrag, Jessica zu bestatten, erhalten hatte.
Als er auflegte, konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Du hast Glück, der Ehemann wünscht eine Feuerbestattung.«
»Weil er alle Beweise vernichten will«, trumpfte ich auf.
»Noch bedeutet das gar nichts. Pass auf, ich habe eine Idee: Bei Feuerbestattungen ist eine zweite Leichenschau vorgeschrieben. Ich könnte es so einrichten, dass jemand von der Rechtsmedizin die Leichenschau übernimmt und etwas findet, sagen wir, einen merkwürdigen Punkt auf der Haut, der wie ein Einstich aussieht. Dann könnte er eine Sektion empfehlen und für die Staatsanwaltschaft läge der schwarze Peter bei der Rechtsmedizin.«
»Eine gute Idee«, lobte ich ihn.
Susanne Klotz öffnete mit einem schiefen Lächeln. Sie wohnte in einem hässlichen Kasten im Südviertel und auch die Inneneinrichtung ihrer Wohnung hätte eine Totalsanierung nötig gehabt.
»Sie sind aber schnell, Sherlock.« Sie schwebte mir voran in die Wohnküche. Wahrscheinlich hatte sie ihren Geist vorübergehend in die Erdumlaufbahn geschossen.
Da ich befürchtete, sie würde mir einen Sitzplatz anbieten, kam ich direkt auf den Punkt: »Ich habe erreicht, dass Jessicas Leiche obduziert wird. Falls sie ermordet worden ist, werden wir es in einigen Tagen wissen.«
»Meine arme kleine Schwester«, flötete Klotz. »Der böse Rainer hat sie umgebracht.«
»Vielleicht. Wie war eigentlich Ihr Verhältnis zu Jessica?«
»Du kannst du zu mir sagen. Ich heiße Susanne.«
»Ich würde lieber beim Sie bleiben. Sie sind meine Auftraggeberin, die mich für meine Dienste bezahlt, wie ich hoffe.«
»Ach ja, das Geld.« Für einen Moment wurden ihre Augen klar. Und nüchtern betrachtet war sie genauso wenig wie ich davon überzeugt, dass ich noch einen Pfennig sehen würde.
Das Telefon klingelte. Sie redete mit einem Micky über eine Stelle an der Promenade, wo ein Shorty auf sie warten würde. Gelangweilt schaute ich mich um. In allen Ecken standen Stofftiere, billiger Schmuck lag herum und das einzige Buch, das ich entdecken konnte, war auf der Mikrostereoanlage platziert. Dem Titel nach handelte das Druckwerk von dem Sexualverhalten der Sternzeichen.
Klotz legte auf. »Wo waren wir stehen geblieben?« Ihre Stimme war jetzt sachlicher, allerdings schien sie mit den Gedanken ganz woanders zu sein. Wie ich die Shortys dieser Welt kannte, verkauften sie den Stoff nur gegen Bares. Also hatte Susanne ein Problem.
»Bei der Frage, wie das Verhältnis zu Ihrer Schwester war.«
»Gut, wie denn sonst?«
»Ich kann mir vorstellen, dass Jessica mit Ihrer Drogensucht nicht einverstanden war.«
»Drogensucht – wie das klingt!«
»Wie eine beschissene
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