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Wilsberg 15 - Wilsberg und die Malerin

Wilsberg 15 - Wilsberg und die Malerin

Titel: Wilsberg 15 - Wilsberg und die Malerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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Schneckentempo über die Straßen. Unter den Brücken staute sich das Wasser zu kleinen Seen und zwischen den Donnerschlägen heulten die Sirenen der Feuerwehrwagen.
    Die Westfälische Klinik für Psychiatrie wurde von den Münsteranern Marienthal genannt, weil sie während des Preußischen Kulturkampfes von Nonnen des Klosters Marienthal gegründet worden war. Als wir auf dem Besucherparkplatz ankamen, klärte sich der Himmel schon wieder auf.
    Nora erkundigte sich an der Pforte nach ihrer Schwester und mithilfe eines Lageplans fanden wir auf dem weitläufigen Gelände das richtige Gebäude.
    »Sie schläft«, sagte der Arzt. »Wir haben ihr ein starkes Beruhigungsmittel gegeben. Aber Sie können ruhig reingehen.«
    Ich wartete auf dem Flur. Als Nora nach einer halben Stunde wieder herauskam, schüttelte sie nur den Kopf.
    Nach dem Gewitter war die Luft angenehm frisch.
    »Ich werde später noch einmal herkommen«, sagte Nora. »Können Sie mich zu meiner Unterkunft bringen?«
    Ich hatte in einem kleinen gemütlichen Hotel in der Innenstadt ein Zimmer für sie gebucht. Die Rückfahrt verlief ähnlich schweigsam wie die Fahrt vom Bahnhof zur Klinik. Nora war in Gedanken versunken und starrte aus dem Fenster, ohne etwas wahrzunehmen.
    Erst als wir vor der Eingangstür des Hotels standen, erwachte sie aus ihrer Lethargie. »Ich frage mich, was Lena erlebt hat.«
    Sollte ich ihr von dem blauen Kombi und den beiden Männern vor meiner Wohnungstür berichten oder würde ich sie damit nur unnötig beunruhigen? »Das wird sie Ihnen bestimmt bald erzählen.«
    »Ja.« Sie wandte sich zur Hoteltür.
    »Möchten Sie mit mir essen gehen?«, fragte ich.
    »Nein, ich ...« Sie blieb stehen und lächelte. »Entschuldigen Sie, ich bin sehr unhöflich. Sie chauffieren mich durch die Stadt und ich bedanke mich nicht einmal. Ich gehe Ihnen bestimmt auf die Nerven.«
    »Überhaupt nicht. Außerdem sind Sie meine Auftraggeberin.«
    »Wenn ich es recht bedenke, habe ich großen Hunger. Geben Sie mir fünf Minuten! Dann bin ich wieder unten.«
    Aus den fünf Minuten wurden zehn. Als sie auf die Straße trat, hatte sie nicht nur die Kleidung gewechselt, sie sah auch entspannter aus. »Wohin gehen wir?«
    Ich wählte ein Restaurant am Hafen. An den Zürichsee reichte der Ausblick nicht heran, aber immerhin schauten wir auf Wasser.
    Während des Essens vermieden wir heikle Themen. Doch zum Espresso benutzte sie den Satz, der mir auf der Zunge lag: »Ich habe Ihnen noch nicht alles erzählt.«
    »Worüber?«
    »Über Lena. Ich habe doch erwähnt, dass sie sich nach dem Tod unserer Mutter verändert hat.« Sie hörte auf, in ihrem Espresso zu rühren, und schaute mich an. »Möglicherweise war dafür noch etwas anderes verantwortlich. Oder jemand anderer.«
    »Was meinen Sie?«
    »Meine Mutter starb an Krebs. Ein langsamer, qualvoller Tod. Ich war damals vierzehn. Es hat mich sehr mitgenommen, als sie immer schwächer wurde und ich irgendwann begriff, dass das keine Krankheit war, die geheilt werden konnte. Aber ich habe versucht, mein normales Leben weiterzuführen, ich bin zur Schule gegangen und habe meine Freundinnen getroffen. Für meinen Vater war es schlimmer. Er ist nicht mehr zur Bank gegangen und hat fast pausenlos am Krankenbett gewacht. Als sie endlich starb, ist er zusammengebrochen. Er brauchte Monate, um sich wieder zurechtzufinden. Während dieser Zeit haben ihn die kleinsten Dinge des Alltags überfordert. Er war nicht in der Lage, sich um Lena und mich zu kümmern. Ich kam ganz gut allein zurecht, ich war ja die ältere und stärkere von uns beiden. Aber Lena war schon damals ein störrisches, verwöhntes Mädchen, sie ließ sich von mir nichts sagen. Unsere Tante Ines, die Schwester meiner Mutter, ist eine Weile zu uns gezogen und hat Lena unter ihre Fittiche genommen. Den anschließenden Sommer haben wir dann in ihrem Ferienhaus im Tessin verbracht. Mit ihr und ihrem Mann.« Nora schaute auf das Hafenbecken. »Onkel Manfred.«
    Ich ließ ihr Zeit für die Fortsetzung.
    Ihre Stimme zitterte: »Onkel Manfred war ein Schwein. Er hatte es auf mich abgesehen. Ständig lief er hinter mir her, er berührte mich unter allen möglichen Vorwänden, erzählte mir, wie hübsch ich sei und was für einen tollen Körper ich habe. Ich war verwirrt und wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Ich mochte Ines und wollte sie nicht vor den Kopf stoßen. Für eine Vierzehnjährige ist so etwas furchtbar peinlich, man fühlt sich selbst

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