Wilsberg 15 - Wilsberg und die Malerin
Vertrauenskonto erschöpft.
»Sie machen das ganz allein?«
»Das schaffe ich schon. Außerdem habe ich dafür meine Leute. Es gibt genug, die helfen wollen.« Er schaute mich an. »So wie Sie.«
»Natürlich.« Ich stand auf. »Deshalb bin ich ja hier.«
»Dann schreiben Sie mal Ihren Namen, Ihre Adresse und Ihre Telefonnummer auf!« Er drückte mir einen Schreibblock in die Hand.
Ich krakelte einen Fantasienamen und eine unleserliche Adresse auf das Papier und warf den Block auf den Tisch. »Hat mich gefreut, Sie kennen zu lernen.«
»Ganz meinerseits.« Er streckte mir die Hand zum Gruß entgegen. »Sie kommen doch zu unserer nächsten Versammlung?«
»Wo findet die statt?«
»Nächsten Mittwoch in der Gaststätte Zum Landsmann. Sie wissen, wo das ist?«
»Ich werde da sein.«
»Es gibt viele, die reden, aber nur wenige, die handeln«, gab er mir zum Abschied mit auf den Weg.
Ich fragte mich, was wohl Cordula Deistermann sagen würde, wenn sie meine Unterhaltung mit Wolfgang Alvers mitbekommen hätte. Vermutlich würde sie eine Nachbarschaftsversammlung einberufen und mich als Neonazi geißeln. Zumindest würde sie mir vorwerfen, dass ich für einen Auftrag zu jeder opportunistischen Blödheit bereit sei.
Immerhin wusste ich jetzt, dass einer der beiden Männer, die vor meiner Wohnungstür gestanden hatten, mit großer Wahrscheinlichkeit der Sohn von Wolfgang Alvers war und der Stabsabteilung von Gottfried Guber angehörte. Aber was hatten die Männer von mir gewollt? Oder hatten sie es gar nicht auf mich, sondern auf Lena Gessner abgesehen? Gab es eine Verbindung zwischen Lena und Guber? Hatte er überhaupt etwas damit zu tun oder war es reiner Zufall, dass Alvers' Sohn für ihn arbeitete? Beruhte die ganze Geschichte möglicherweise auf einem Missverständnis, hatten die Männer einfach an die falsche Tür geklopft?
Nein, als ich mir die Situation noch einmal ins Gedächtnis rief, war ich mir sicher, dass sie sich nicht geirrt hatten.
Ich setzte mich ins Auto und schaltete das Handy ein. Hauptkommissar Stürzenbecher hatte in der Zwischenzeit angerufen. Ich gab den Rückrufbefehl ein.
»Wir haben die Kleine gefunden, diese Lena Gessner.«
»Wo?«
»Auf der Landstraße zwischen Münster und Greven.«
Ich bekam einen trockenen Mund. »Ist sie verletzt?«
»Körperlich nicht.«
»Was heißt das?«
»Autofahrer haben uns angerufen, weil sie auf der Straße herumirrte und einen geistig verwirrten Eindruck machte. Als die Streife sie mitnehmen wollte, hat sie geschrien und sich gewehrt. Jedenfalls war aus ihr kein vernünftiges Wort herauszubekommen.«
»Wo ist sie jetzt?«
»In Marienthal . Die Ärzte sagen, dass sie ein paar Tage Ruhe braucht. Vorläufig kann man nicht mit ihr reden.«
VII
Von Westen zog ein Gewitter heran. Der Himmel verdunkelte sich und die Luft war so stickig, dass der Schweiß auf der Haut nicht mehr verdunstete. Nach den Tagen der Hitze würde es einen heftigen Regenschauer geben. Die Menschen auf dem Bahnsteig schauten argwöhnisch nach oben. Niemand hatte einen Regenschirm dabei. Wenn es in Münster mal eine Woche lang nicht regnete, vergaß man, dass das nicht der Normalzustand war.
Der Zug aus Düsseldorf rollte in den Bahnhof. Nora Gessner war von Zürich nach Düsseldorf geflogen und dann in den Zug umgestiegen. Unterbrochen von einigen Funklöchern hatte ich ihr bereits mitgeteilt, was ich von Stürzenbecher erfahren hatte.
Als sie aus dem Zug stieg, nahm ich ihr den Koffer ab. Sie sah angespannt aus. Ich fühlte mich auch mies.
»Können wir sofort zu ihr fahren?«
»Ja«, sagte ich. »Aber ich weiß nicht, ob Sie mit ihr reden können.«
»Ich möchte sie auf jeden Fall sehen. «
Durch den Tunnel gingen wir zum Ostausgang. Der münstersche Hauptbahnhof wurde von Jahr zu Jahr hässlicher. Seit ungefähr fünfundzwanzig Jahren kündigte Die Bahn, die damals noch Deutsche Bundesbahn hieß, an, dass sie den Bahnhof renovieren würde. Alle drei Jahre verschob sie den Umbautermin. Und nach der genialen Preisreform war für Erneuerungen ohnehin kein Geld mehr in der Kasse. Also würde sich wohl auch in den nächsten fünfundzwanzig Jahren nichts ändern. Falls der Bahnhof bis dahin noch stand.
»Es tut mir Leid«, sagte ich.
»Es ist nicht Ihre Schuld. Sie brauchen sich keine Vorwürfe zu machen.«
Das war leichter gesagt als getan.
Wir schafften es noch bis ins Auto, bevor der Wolkenbruch einsetzte. Der Regen war mit Hagel vermischt, die Autos krochen im
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