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Wilsberg 15 - Wilsberg und die Malerin

Wilsberg 15 - Wilsberg und die Malerin

Titel: Wilsberg 15 - Wilsberg und die Malerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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zur Tür. »Sei vorsichtig, Georg!«
    Auf der B 54 fuhr ich bis Burgsteinfurt und von dort aus in Richtung Rheine. Wettringen lag irgendwo dazwischen, in der flachen münsterländischen Ebene. Zuerst kam ich durch ein Neubaugebiet, dann wurden die Häuser älter und die Gärten größer. Wolfgang Alvers wohnte in der Nähe der Stadtmitte, gehörte also nicht zu den Neubürgern, die es wegen der niedrigen Grundstückspreise und der Eigenheimzulage aufs Land gezogen hatte. Sein Vorgarten sah ähnlich gepflegt aus wie die der Nachbarn, allein die beiden Dreiecksständer mit den Konterfeis von Gottfried Guber und ihm selbst, die auf dem kurz geschnittenen Rasen platziert waren, stachen aus der einheitlichen Gestaltung heraus. Dass die silber-metallic-farbene Limousine nicht zu sehen war, musste nicht viel bedeuten, sie konnte sich in der Doppelgarage neben dem Haus verstecken.
    Ich fuhr am Haus vorbei und parkte ein paar hundert Meter entfernt. Dann schlenderte ich zurück. Wolfgang Alvers trat als Direktkandidat für die Demokratische Alternative Deutschland im Kreis Steinfurt an, entnahm ich beim näheren Hinsehen den Plakaten, die einen rüstigen Rentner mit seriösem Anzug und schwarz-rot-goldener Krawatte zeigten.
    Alvers kam persönlich an die Haustür. Er sah nicht ganz so rüstig aus wie auf den Plakaten, bei denen der Grafiker wohl mit etwas Gesichts- und Haarfarbe nachgeholfen hatte, auch trug er weder Anzug noch Krawatte, sondern eine graue Stoffhose und ein beige Polohemd. Ohne die Wahlwerbung hätte ich ihn für einen jener älteren Männer gehalten, die gerne in Parks herumstehen und anderen beim Schachspielen oder Entenfüttern zusehen.
    »Ja?«, fragte der Direktkandidat.
    »Ich dachte, ich komm mal vorbei«, sagte ich. »Sie sind doch unser Kandidat.«
    »Natürlich.« Sein verkniffener Mund verzog sich zu einem Grinsen. »Wo wohnen Sie?«
    »Hinter der Kirche«, antwortete ich vage.
    »Bei der Sporthalle?«
    »Nicht ganz, aber in der Nähe.« Bevor er weiterfragen konnte, wechselte ich schnell das Thema: »Brauchen Sie noch Leute, die beim Wahlkampf mitmachen?«
    »Immer.« Er musterte mich kritisch. »Sie sind nicht Parteimitglied, oder?«
    »Noch nicht. Ich bin kein Vereinsmensch. Aber bei der DAD ist das was anderes. Die muss man als anständiger Deutscher einfach unterstützen.«
    »Klar.« Er strahlte wieder. »Bei uns sind Sie richtig. Wir sind ja sozusagen ein Anti-Verein.« Dabei streckte er seine Hand nach oben und klopfte mir auf die Schulter. In seinen bequemen Hausschuhen war Wolfgang Alvers höchstens einen Meter fünfundsechzig groß.
    Direkt neben der Haustür gab es ein holzgetäfeltes Kabuff, das die Wahlkampfzentrale der örtlichen DAD darstellte. Stapel von Wahlkampfzeitungen, Plakaten und Flugblättern lagen auf dem Boden und einem an der Wand befestigten Brett. Über dem Faxgerät hing ein gerahmtes Foto, auf dem Alvers zusammen mit Gottfried Guber vor dem münsterschen Schloss abgebildet war. Alvers reichte Guber nur bis zur Achselhöhle und das gewohnte Lächeln des Großen Vorsitzenden wirkte sichtbar angestrengt.
    »Gottfried und ich sind Freunde«, sagte Alvers stolz. »Als er die Partei gegründet hat, war ich sofort zur Stelle.«
    »Und vorher?«, fragte ich. »Waren Sie da in einer anderen Partei?«
    »Mal hier, mal da«, nuschelte er unbehaglich. »Aber das spielt keine Rolle. Mit der DAD werden wir die fünf Prozent schaffen.«
    »Fünf?« Ich zog die Augenbrauen hoch. »Ich rechne eher mit zehn.«
    »Schön wär's ja.« Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. In dem kleinen Raum war es ungemütlich stickig. »Andererseits sollten wir nicht zu hohe Erwartungen wecken. Nordrhein-Westfalen ist ein Flächenstaat. Was der Schill in Hamburg geschafft hat, lässt sich hier nicht ohne weiteres wiederholen. In einem Stadtstaat gibt es viel mehr Probleme mit Ausländern.«
    »Dafür gibt es auf dem Land mehr Menschen, für die Recht und Ordnung noch echte Werte sind.«
    »Wem sagen Sie das?« Alvers holte zwei zusammengeklappte Gartenstühle aus der Ecke und drückte mir einen in die Hand. »Setzen Sie sich!«
    Da zwischen den Papierbergen und Tischen wenig Platz blieb, saßen wir fast Knie an Knie. Ich bekam eine herbe Prise seines strengen Körpergeruchs ab.
    »Sie kennen unser Parteiprogramm?«, erkundigte sich der Kandidat.
    Jetzt stellte es sich als Vorteil heraus, dass ich Gubers Flugblatt nicht wie Cordula Deistermann zerknüllt, sondern den Inhalt vor der Entsorgung im

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