Wilsberg 15 - Wilsberg und die Malerin
Papierkorb überflogen hatte: »Nur in groben Zügen: Einwanderungsstopp. Abschiebung von kriminellen Ausländern. Härteres Vorgehen gegen Kriminelle, insbesondere gegen Drogendealer, die sich an Schulkinder heranmachen. Schutz der deutschen Kultur und der deutschen Produkte. Gegen den amerikanischen Hollywood-Imperialismus und die Brüsseler Bürokratenherrschaft.«
Alvers nickte eifrig. »Das ist die offizielle Version.«
»Und intern?«
»Da wird Klartext geredet.« Er schob seinen Kopf dichter an meinen heran und raunte verschwörerisch: »Im inneren Kreis, unter uns Funktionären, kann Gottfried ganz schön vom Leder ziehen.«
»Worüber?«
»Das werden Sie noch erfahren, wenn Sie bei uns mitmachen.«
»Schade.« Ich bemühte mich, enttäuscht auszusehen.
Alvers sog Luft durch die Nase ein. Der Drang, mir mit seinen intimen Kenntnissen zu imponieren, wurde übermächtig. »Ich frage Sie nur eins: Warum haben die USA den Irak überfallen? Es gab weder Massenvernichtungswaffen noch hat Saddam Hussein diesen Osama Bin Laden unterstützt.«
»Und warum?«
»Die führenden Strategen in den USA sind Juden. Die wollen Israel quasi von hinten befreien. Dann wären die Probleme, die Israel mit den Palästinensern hat, endgültig gelöst. Gottfried sagt, es würde ihn nicht wundern, wenn bald amerikanische Panzer vor Jerusalem stehen.«
Ich schnippte mit den Fingern. »Darauf muss man erst mal kommen.«
»Sehen Sie!«, sagte er triumphierend.
»Ich finde sowieso, dass man in Deutschland zu viel Rücksicht auf die Juden nimmt.«
Alvers schaute zur Tür. »So etwas würden wir nie sagen.«
»Natürlich nicht. Aber man darf es doch denken.«
»Solange es unter uns bleibt.« Er grinste. »In der Öffentlichkeit müssen Sie sich in solchen Dingen zurückhalten, wenn Sie bei uns mitmachen wollen. Gottfried möchte nicht, dass er in die antisemitische Ecke gedrängt wird. Das Thema ist in Deutschland immer noch tabu.«
»Leider«, bestätigte ich.
»Der Haider hat es da einfacher.« Alvers klang wehmütig. »Die Österreicher tun ja so, als seien sie gegen ihren Willen ins Dritte Reich gezwungen worden. Die können viel unbefangener über die Vergangenheit reden.«
»Dabei war der Führer ein Österreicher.«
Er schaute mich mit offenem Mund an und schien zu überlegen, wie ich das meinte.
Allmählich verspürte ich einen Brechreiz. Ob das an der stickigen Luft, seinem penetranten Geruch oder unserem Gesprächsthema lag, konnte ich nicht sagen.
»Aus heutiger Sicht«, versuchte ich meinen Fehler auszubügeln. »Wir wissen doch alle, dass es in der Ostmark eine starke deutschnationale Bewegung gab.«
Er nickte versöhnlich. »Irgendwann wird die Zeit kommen, in der man alles offen ansprechen kann. Bis dahin müssen wir uns mit Andeutungen begnügen.«
»Darin ist Guber ja ein Meister.«
»Wohl wahr. Er versteht es, die Leute um den Finger zu wickeln. Auf einen wie ihn hat man in Deutschland lange gewartet. Außerdem«, Alvers zwinkerte mir zu, »hat Gottfried nie ein Geheimnis darum gemacht, dass sein Vater bei der SS war. So etwas prägt natürlich. Er hat sich immer geweigert, sich von seinem Vater zu distanzieren.«
»Wo kämen wir hin, wenn wir alles schlecht machen würden?«
»Eben.«
Ich hoffte, dass ich genügend rechtsradikalen Müll abgesondert hatte, um ihn in Sicherheit zu wiegen. Jedenfalls wurde es Zeit, auf den Punkt zu kommen, der mich interessierte. Sonst würde ich ihm noch auf die graue Stoffhose kotzen. »Die Familie ist das Wichtigste. Ich nehme an, Ihre Familie steht hinter Ihnen und unterstützt Sie im Wahlkampf?«
Er wurde nicht misstrauisch. »Meine Frau hält sich da raus. Aber mein Sohn ist auch in der Bewegung.«
Ich bemühte mich, es wie eine beiläufige Frage klingen zu lassen: »Was macht er?«
»Er arbeitet direkt bei Gottfried, in der Stabsabteilung.«
»Ach? Dann ist er ja im Zentrum der Macht?«
Alvers schwoll die Brust. »Mehr kann ich dazu nicht sagen. Das ist geheim, das müssen Sie verstehen.«
»Sicher.« Ich lächelte anerkennend. »Sie sind bestimmt mächtig stolz auf ihn?«
»Jeder Vater wäre stolz auf so einen Sohn.«
»Hilft er Ihnen auch bei der Logistik?«
»Bei der was?«
»Na ja«, ich machte eine Armbewegung zu den Papierbergen, »die Wahlkampfmaterialien müssen ins Auto geschafft und wieder ausgeladen werden. Das ist eine Menge Arbeit.«
»Mein Junge hat Wichtigeres zu tun.« Seine Stimme klang angespannt. Anscheinend hatte ich mein
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