Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wilsberg 15 - Wilsberg und die Malerin

Wilsberg 15 - Wilsberg und die Malerin

Titel: Wilsberg 15 - Wilsberg und die Malerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
Vom Netzwerk:
Anhängern umgeben war, ließ er niemanden nahe an sich heran. Auch seine Homosexualität hielt er zunächst unter dem Deckel, falls er sie überhaupt auslebte. In der Öffentlichkeit spielte er den Macho, der mit seinem Charme reihenweise gut aussehende Frauen verführte. Einmal war er sogar verlobt, kurz vor der Heirat wurde die Verbindung jedoch aufgelöst. Ob von Guber oder der Frau, hatte Kathrin Meyer nicht herausgefunden.
    Erst als sein Vater im Gefängnis gestorben war, bekannte sich Guber zu seiner Homosexualität. Meyer vermutete hier einen Zusammenhang, sie schrieb, Guber habe wohl Angst davor gehabt, dass sein Vater ihn wegen seiner sexuellen Neigung verachten würde.
    Dem schwierigen Verhältnis Gubers zu seinem Vater widmete Meyer ebenfalls ein Kapitel. Guber hatte seinen Vater nie richtig kennen gelernt. Er traf ihn immer nur innerhalb der Besuchszeiten im Gefängnis, während der Kindheit und Jugend in Begleitung seiner Mutter, später, als Student und dann als Politiker, wurden die Besuche seltener. So blieb der Vater für ihn ein Fremder – und gleichzeitig eine unangreifbare Autorität. Bis heute habe sich Guber geweigert, seinen Vater zu verurteilen, schrieb Meyer. In Interviews erklärte er, man müsse zwischen dem verbrecherischen System des Nationalsozialismus und jenen unterscheiden, die aus Gehorsam diese Verbrechen verübt hätten. Und dass die Amerikaner Bomben auf unschuldige irakische Familien geworfen haben, sei in den Augen der Weltöffentlichkeit ja auch kein Verbrechen.
    Gubers politische Karriere kannte ich in groben Zügen schon aus der Schilderung von Tobias Olpitz, Meyer hatte hier wenig Neues hinzuzufügen, ausgenommen die Einschätzung, dass ihn der Karriereknick härter getroffen hätte, als allgemein angenommen würde. Sie ließ einen Zeugen zu Wort kommen, der davon sprach, dass Guber zeitweise mit Selbstmordabsichten gespielt habe.
    Doch Guber hatte sein Tief überwunden und seinen zweiten Aufstieg begonnen, der lange Zeit im Verborgenen und ohne publikumswirksame Aktionen verlief. Jahrelang hatte er die Gründung der Demokratischen Alternative Deutschland vorbereitet und Anhänger um sich gesammelt, bis er mit einem Paukenschlag der Öffentlichkeit die Partei präsentierte.
    An der für mich interessantesten Stelle brach das Manuskript ab. Das Kapitel behandelte Gubers Finanzen. Kathrin Meyer hatte die Geschichte der von einem entfernten Verwandten geerbten Fabrik recherchiert und festgestellt, dass unabhängige Gutachter den Wert der Fabrik erheblich niedriger schätzten, als er von Guber angegeben wurde.
    »Die Frage«, schrieb Meyer, »woher das enorme Privatvermögen Gottfried Gubers stammt, bleibt daher nach wie vor offen.«
    Leider war das ihr letzter Satz.
    Weit nach Mitternacht legte ich das Manuskript auf den Balkontisch. Meine Nachbarn hatten sich längst in ihre Betten verzogen, nur die Studentenfete kam langsam auf Touren.

X

    Tobias Olpitz kam aus dem Friedenssaal des Rathauses. Der Oberbürgermeister hatte einen Botschafter empfangen und ihn aus dem goldenen Hahn der Stadt trinken lassen.
    »Die Rede kenne ich inzwischen auswendig«, sagte Olpitz. »Man muss nur aufpassen, dass man die zwei Sätze nicht verpasst, in denen der OB die Geschichte des Westfälischen Friedens auf den jeweiligen Gast zuschneidet.« Er schaute auf seine Uhr. »Fassen Sie sich kurz! In zehn Minuten steht der nächste Termin an.«
    Wir schlenderten über den Prinzipalmarkt.
    »Haben Sie einen Kollegen, der Harald Schmidt heißt?«, fragte ich.
    Er lachte. »Ich bin ein Fan von Harald Schmidt. Aber bei uns in der Redaktion gibt es nur einen Jochen Schmidt.«
    »Und Sie selbst geben sich nicht manchmal als Harald Schmidt aus?«
    »Ich? Wie kommen Sie denn darauf?«
    Ich berichtete von dem vermeintlich hilfsbereiten Mitarbeiter der Zeitung, der bei der Wohnungsauflösung aufgetaucht war.
    »Das ist ja dreist«, kommentierte Olpitz. »Natürlich war das Kathrins Laptop. In der heutigen Zeitungskrise sparen die Verlage sogar am Toilettenpapier. Selbst die FAZ streicht ihren Redakteuren die Dienstwagen.« Er blieb stehen. »Trauen Sie mir im Ernst einen solchen Diebstahl zu?«
    »Nein«, sagte ich. »Eigentlich nicht.«
    »Dann hören Sie auf mit solchen Unterstellungen! Ich dachte, wir arbeiten zusammen.«
    »Ich mache nur meinen Job«, verteidigte ich mich.
    »Okay«, lenkte er ein. »Ich bin etwas empfindlich, wenn man alle Journalisten für skrupellose Leichenfledderer hält.« Er

Weitere Kostenlose Bücher