Wilsberg 15 - Wilsberg und die Malerin
erstreckte sich über zwei Etagen eines Neubaus am Rande des Kreuzviertels. Die Einrichtung sprach für den guten Geschmack seiner Innenarchitektin, wirkte allerdings gerade wegen ihrer Perfektion ein wenig steril. Jederzeit hätte der Fotograf eines Einrichtungshauskatalogs auftauchen und Fürth und mich bitten können, die Statisten zu spielen. Das heißt, mich hätte er vermutlich gebeten, aus dem Bild zu treten, nur Fürth sah aus wie jene mit sich selbst und der Welt zufriedenen Menschen, die sich auf schwedischen Sofas lümmeln. Seine Kleidung zeigte die richtige Mischung aus kreativer Lässigkeit und gepflegtem Stil, sein blond gesträhntes Haar war auf Volumen geföhnt und seine Brille so modern wie eine Marsfähre.
»Kathrin war ganz besessen von diesem Guber«, sagte Fürth. »Sie ist mir damit regelrecht auf den Geist gegangen. Ständig hat sie über Guber geredet, Gubers Kindheit, Gubers Jugend. Sie hat alte Freunde von Guber interviewt. Mein Gott, der Mann hat gute PR-Berater und vermarktet sich nicht schlecht. Trotzdem ist er ein One-Season-Product, wie wir in der Branche sagen. Er steigt auf und stürzt genauso schnell wieder ab.«
»Vielleicht wollte sie dazu beitragen«, sagte ich.
Er stutzte. »Kathrin? Die dachte, sie kommt mit dem Buch groß raus. Sie wollte Erfolg, okay, das ist akzeptabel. Jeder von uns will Erfolg.« Er schaute auf mein schon leicht abgetragenes Jackett. »Fast jeder.«
Fürth hatte von allein angefangen zu reden. Wahrscheinlich dachte er, er könne mich am schnellsten wieder loswerden, wenn er mir ein paar abgenagte Erinnerungsknochen vor die Füße warf.
Er griff sich mit einer manierierten Geste in die Haare. »Ich will nicht hartherzig erscheinen. Kathrin und ich waren erst seit einigen Monaten zusammen. Am Anfang lief es super, wir hatten eine Menge Fun. Aber dann drehte sich bei ihr alles nur noch um Guber. Ich weiß nicht, wie lange das mit uns noch gut gegangen wäre.«
Wozu man sie nur hätte beglückwünschen können, dachte ich. »Sie haben nicht zusammen gewohnt?«
»Nein, wir wollten erst mal sehen ... Ich meine, jeder von uns hat sein eigenes Ding gemacht. Der Job kam an erster Stelle.«
»Ihr Recherchematerial hat sie in ihrer Wohnung aufbewahrt, nehme ich an.«
»Klar.«
»Wer hat die Wohnung aufgelöst?«
»Ihre Eltern.«
»Haben Sie deren Telefonnummer?«
»Nein. Die wohnen in einem kleinen Kaff in Ostfriesland, in der Nähe von Aurich. Warten Sie mal! Flossum heißt das, glaube ich.«
Ich stand auf. »Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben.«
»Keine Ursache.« Die Ironie schien er nicht zu bemerken. Auch hatte er sich mit keinem Wort danach erkundigt, warum ich mich mit dem Tod seiner ehemaligen Freundin beschäftigte. Die angeblichen, den Unfalltod in Frage stellenden Hinweise, die ich ihm versprochen hatte – sie interessierten ihn nicht. Kathrin Meyer war längst abgehakt, wahrscheinlich schon ersetzt durch eine andere Frau, mit der er Fun hatte.
Ich begriff, warum er mich überhaupt empfangen hatte. Er wollte mir demonstrieren, dass es sich für mich nicht lohnte, meine Hartnäckigkeit an ihm zu vergeuden. Und das war ihm vollauf gelungen.
Fürth brachte mich zur Tür. »Da fällt mir ein: Irgendwo liegt noch ein Ausdruck ihres halb fertigen Manuskripts. Kathrin hat das immer mit sich rumgeschleppt.«
Ich blieb ganz ruhig. »Kann ich es haben?«
»Warum nicht? Ich brauche es sowieso nicht.«
Er verschwand in einem Zimmer und kam mit einem Stapel bedruckter Blätter zurück. »Kathrin hat geglaubt, das Buch würde einschlagen wie eine Bombe. Na ja, das sind die Träume kleiner Journalistinnen.«
»In welcher Beziehung?«
»Was?«
»In welcher Hinsicht würde das Buch einschlagen wie eine Bombe?«
»In Bezug auf Guber, denke ich. Ich hab's nicht gelesen. Kathrin redete von bislang unbekannten Informationen, die sonst keiner hätte.«
»Hatte sie das Buch schon einem Verlag angeboten?«
»Nein, es war ja, wie gesagt, erst halb fertig. Und jetzt wird es wohl niemals fertig.« Er drückte mir den Stapel in die Hände. »Werden Sie damit glücklich!«
Jemandem, der einem etwas schenkt, schlägt man nicht ins Gesicht. Aber Lust hätte ich schon gehabt.
Bevor ich das Manuskript las, suchte ich im Internet nach Meyers in Flossum. Es gab neunundzwanzig, Meyer schien in Flossum ein beliebter Name zu sein.
Allerdings weiß in einem kleinen Ort fast jeder Meyer über den anderen Bescheid, schon der zweite Meyer sagte mir,
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