Wilsberg 15 - Wilsberg und die Malerin
nicht.
»Wolfgang Alvers ist die Vergangenheit, Volker die Zukunft.« Guber machte eine Handbewegung in Blondies Richtung. »Volker hat Volkswirtschaft studiert. Er hilft mir dabei, eine moderne, schlagkräftige Partei aufzubauen.«
»Trotzdem kandidiert sein Vater für Ihre Partei.« Solange wir über Politik redeten, fühlte ich mich einigermaßen sicher.
»Auf einem aussichtslosen Listenplatz. Wir werden uns von ihm und seinesgleichen trennen, sobald wir strukturell dazu in der Lage sind. Ich halte nichts von rechter Nostalgie.«
»Meinen Sie die Leute, die vom Führer schwärmen?«
»Unter anderem.«
»Haben Sie das auch Ihrem Vater gesagt?«
Er stutzte. Hinter mir bewegte sich Horst. Ich fragte mich, ob ich zu weit gegangen war. In meiner Situation musste ich mit Provokationen sparsam umgehen.
Guber blieb gelassen: »Sie haben sich bestens informiert, Herr Wilsberg. Dann wissen Sie sicher auch, dass ich meinen Vater nicht für das kritisiert habe, was er getan hat. Und zwar aus einem einfachen Grund. Er hat sich so verhalten, wie es von allen Soldaten in jeder Armee verlangt wird: Er hat auf Befehl getötet. Welcher US-Soldat hat denn gefragt, warum Bush den Irak angreift?«
»Hitler war ein Menschen verachtender Diktator.«
»Und Bush ist auch nicht demokratisch gewählt worden.« Guber schmunzelte. »Ich gebe zu, das ist eine platte Retourkutsche. Lassen Sie es mich grundsätzlicher formulieren: Der Nationalsozialismus war ein Verbrechen, aber nicht so groß und unvergleichbar, wie man uns seit sechzig Jahren einzureden versucht. Stalin hat in absoluten Zahlen mehr Menschen ermordet und Pol Pot fast sein ganzes Volk liquidiert. Jedes Jahr finden Völkermorde statt – denken Sie an Ruanda, Kongo, Palästina. Ich bin es leid, mich ständig für meine deutsche Vergangenheit entschuldigen zu müssen, und wenn ich deshalb von einigen Ewiggestrigen gewählt werde, dann ist das eben so. Punkt.«
Guber hörte sich gerne reden. Und ich wollte ihn nicht davon abhalten. Je länger wir miteinander plauderten, desto eher war er vielleicht geneigt, den Grund unseres Zusammentreffens zu vergessen.
»Mögen Sie deshalb die Juden nicht?«, fragte ich. »Weil Sie durch sie an die deutsche Vergangenheit erinnert werden?«
Er kniff die Augen zusammen. »Sie wärmen Vorurteile auf, ich bin kein Antisemit.«
»Irre ich mich oder habe ich Sie in einer Talkshow sagen hören, dass es in den USA eine starke jüdische Lobby gibt?«
»Das ist ein Fakt. Die Außenpolitik der USA, eines Staates, der den Angriffskrieg wieder zum normalen Mittel der Politik erklärt hat, wird maßgeblich von der jüdischen Bevölkerungsgruppe bestimmt. Oberste Priorität hat dabei die Unterstützung des Staates Israel, alle UN-Resolutionen gegen Israel wurden von den USA blockiert, alle Menschenrechtsverletzungen gegen die Palästinenser toleriert. Ich verteidige die Selbstmordattentate der Palästinenser nicht, obwohl sie moralisch vielleicht gerechtfertigt sind, allerdings ist es unter Fachleuten unstrittig, dass der islamische Terrorismus, der uns alle treffen kann, eng mit dem Palästina-Konflikt zusammenhängt. Solange dieser Konflikt nicht gelöst ist, wird es weltweit Anschläge geben. Und irgendwann, mit immer gefährlicheren biologischen Waffen, könnte das die ganze Welt in den Abgrund reißen.«
»Ist das nicht eine moderne Variante des Antisemitismus?«
»Ich analysiere Machtstrukturen, Herr Wilsberg, um Biologie geht es dabei nicht. Manche Juden sind in ihrer Kritik noch härter.« Er lächelte. »Im Übrigen wäre ich im Mittelalter ein entschiedener Gegner der katholischen Kirche gewesen und vermutlich bei den Ketzern gelandet.«
»Und was haben Sie gegen Hollywood-Filme?«
»Ich denke, wir sollten unsere eigene und die europäische Kultur fördern. Dass neun von zehn Studiobossen in Hollywood Juden sind, spielt für mich keine Rolle.«
Ich erinnerte mich an etwas, das ich in Kathrin Meyers Manuskript gelesen hatte. Die Anekdote stammte von einem Mann aus Gubers engster Umgebung, der in Ungnade gefallen war und sich von der Bewegung getrennt hatte.
»Ich dachte, Sie fürchten sich vor geheimen, bewusst nicht wahrnehmbaren Botschaften, die in Hollywood-Filmen versteckt sind.«
Gubers blaue Augen wurden eisig. Jetzt bewegte ich mich eindeutig auf vermintem Gelände.
»Wer sagt das?«
»Das habe ich gelesen.«
»Wo?«
»In einem Zeitungsartikel. Ich glaube, die Autorin hieß Kathrin Meyer.«
Horst räusperte sich.
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