Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation
identifiziert.«
»Herzlichen Glückwunsch!«, sagte ich sarkastisch.
»Wäre es nicht an der Zeit, ein Geständnis abzulegen?«
»Nein. Aber ich würde gern mit meiner Anwältin reden.«
Er überließ es Niemeyer und zwei uniformierten Beamten, Franka und mich zu dem Besprechungsraum zu eskortieren. Ich merkte, dass Franka meinem Blick auswich.
Kaum waren wir allein, sagte sie: »Ich verstehe das alles nicht, Georg.«
»Der Typ, der mich gesehen haben will, lügt. Das ist doch klar.«
»Aber wieso? Was hat er davon? Und wer hat ihn so schnell überredet? Bei aller Liebe, Georg, für mich klingt das allmählich nach einer Verschwörungstheorie.«
Der Boden unter meinen Füßen schwankte. Selbst Franka vertraute mir nicht mehr. Wer blieb mir da noch? Zum ersten Mal wurde mir bewusst, dass die reale Gefahr bestand, für den Rest meines Lebens in einer Gefängniszelle zu versauern. Ich bekam Angst.
»Denkst du etwa, ich habe Berning ermordet?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Ich war’s nicht, Franka. Jemand benutzt mich, um den Mord zu vertuschen.«
Sie nickte. »Okay, okay, ich glaube dir.«
»Nimm diesen sogenannten Zeugen unter die Lupe! Finde heraus, was mit ihm los ist! Und vergiss nicht, dich um Bernings Handy zu kümmern!«
Sie nestelte an ihrer Aktentasche. »Ich habe schon einen Beruf, Georg.«
»Die werden mich wegen Mordes verurteilen, wenn wir jetzt nichts unternehmen.«
Einen Moment lang herrschte Schweigen. Dann schaute sie mich an. Ich suchte in ihren Augen nach einer Antwort.
Sie lächelte. »Ich werde tun, was ich kann.«
»Danke. Falls du Hilfe benötigst, wende dich an Stürzenbecher.«
»Der ist nicht zuständig. Das ist eine Staatsschutzsache.«
»Egal. Ich traue Podzey und Niemeyer nicht über den Weg.«
Sie nickte erneut. »Brauchst du sonst noch was?«
»Was zu lesen wäre nicht schlecht. Sonst drehe ich in der Zelle noch durch.«
»Hast du einen speziellen Wunsch?«
»Ja. Besorg mir alles, was in der letzten Zeit über die RAF erschienen ist. Ich habe das Gefühl, dass ein bisschen Bildung nicht schaden kann.«
VIII
Drei Stunden später wurde ich in die Justizvollzugsanstalt an der Gartenstraße gebracht. Ich bekam eine schmucke Zelle mit Bett, Schrank, Waschbecken und Klo auf maximal zehn Quadratmetern. Durch das vergitterte Fenster hatte ich einen Blick auf den nächsten Flügel des sternförmigen Rotklinkerbaus, der seit 1853 als Gefängnis diente. Innenarchitektonisch hatte sich in den letzten hundertfünfzig Jahren nicht viel verändert, nur die dreißig Peitschenhiebe, die man seinerzeit den Gefangenen für unbotmäßiges Verhalten verabreichte, waren inzwischen aus der Mode. Zu meiner Freude fand ich auch einen Stapel Bücher und eine Karte mit Frankas Grüßen auf dem Bett und so verbrachte ich die nächsten zwei Tage hauptsächlich mit Lesen.
Am Abend des zweiten Tages wurde ich in einen Besucherraum gebracht. Ich hatte auf Franka gehofft und war etwas enttäuscht, als Niemeyer an der Wand lehnte. Sie trug eine schwarze Lederjacke und wirkte zierlicher und blasser, als ich sie in Erinnerung hatte. »Wie geht es Ihnen?«
»Den Umständen entsprechend.«
Sie stieß sich von der Wand ab und kam auf mich zu. »Sie lesen viel, habe ich gehört.«
»Ja.« Ich wartete darauf, dass sie zur Sache kam.
»Auf etwas Interessantes gestoßen?«
»Sind Sie gekommen, um mit mir über meine Lektüre zu reden?«
»Warum nicht?« Sie schaute mich an. Unterhalb ihrer Augen schimmerten blaue Äderchen durch die dünne Haut. Bildete ich mir das nur ein oder machte sie mir gerade ein Angebot?
»Wo ist eigentlich Ihr Partner?«
»Podzey und ich sind keine siamesischen Zwillinge.«
Der kritische Unterton war nicht zu überhören. Trotzdem traute ich dem Braten nicht.
»Was wollen Sie, Frau Niemeyer? Ich bin lange genug im Geschäft, um nicht auf solche Spielchen hereinzufallen.«
»Ich spiele keine Spielchen, Herr Wilsberg. Mein Besuch ist inoffiziell. Im Vertrauen: Ich bin nicht in allen Punkten Podzeys Meinung.«
»Dann sind wir ja schon zwei.«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Neben der rechtsextremen Szene habe ich mich in letzter Zeit schwerpunktmäßig mit der Aufarbeitung der RAF-Geschichte beschäftigt. Da gibt es immer noch etliche weiße Flecken.«
»Ein weißer Fleck ist ja jetzt beseitigt worden. Angeblich von mir.«
Sie rümpfte die Nase. »Thomas Berning ist nur die Spitze des Eisbergs.«
»Und was dümpelt darunter?«
»Wenn ich das wüsste,
Weitere Kostenlose Bücher