Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation

Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation

Titel: Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
Vom Netzwerk:
wieder aufwachen, während der Fahrt herumlaufen und sogar einen wässrigen, in der Mikrowelle aufgewärmten Linseneintopf essen. Und war trotzdem am frühen Nachmittag in Ostfriesland.
    Stürzenbecher hatte mir auch eine Adresse genannt. Sie befand sich, wie ich dem am Bahnhof gekauften Stadtplan entnahm, am Rande des Marktplatzes und in der Nähe des Hafens, was deshalb kein Widerspruch war, weil in Leer alles dicht beieinander liegt. Leer war so übersichtlich, dass ich es in fünf Minuten vom Bahnhof bis zum neuen Zuhause von Henrike Sanddorn alias Hilda Sandner geschafft hätte. Doch ich hatte es nicht eilig.
    Was ich im Moment am wenigsten provozieren wollte, war eine erneute Verhaftung. Und da die Möglichkeit bestand, dass man der Sanddorn zusätzlich zu ihrem Umzug ein Observationsteam verordnet hatte, hielt ich mich erst einmal von ihrem Haus fern und sondierte die Lage.
    Als Beobachtungsposten eignete sich eine Bäckerei mit Tischen, Hockern und einer Glasfront, durch die ich einen guten Blick auf Sanddorns Hauseingang hatte. Da ein heftiger Regenschauer niederging und andere Passanten in die Bäckerei flüchteten, fiel nicht weiter auf, dass ich meinen Milchkaffee in homöopathischen Dosen trank.
    Eine halbe Stunde später klärte sich der Himmel auf und eine Frau im beigefarbenen Wintermantel erschien auf der Straße. Ich hätte sie fast nicht erkannt. Sie trug jetzt kurze blonde Haare und war zehn Jahre jünger geschminkt. Aber ihren Gang hatte sie ebenso wenig verändert, wie ihren lebensüberdrüssigen Gesichtsausdruck abgelegt.
    Ich scannte die Straße. Offenbar war sie ohne Begleitschutz unterwegs. Als sie an der Bäckerei vorbeikam, schloss ich mich ihr an. »Hallo, Frau Sanddorn! Oder soll ich Sandner sagen?«
    Sie zuckte zusammen. »Sie? Was machen Sie hier?«
    »Wonach sieht es denn aus?«
    »Verschwinden Sie!«, zischte sie. »Lassen Sie mich in Frieden!« »Was haben Sie denn zu verbergen?« Ihre Wimpern flatterten. »Nichts. Absolut nichts.« Ich gluckste amüsiert. »Hört sich nicht überzeugend an.
    Immerhin sind Sie fluchtartig umgezogen und haben Ihren Namen und Ihr Aussehen verändert.«
    Sie starrte mich wütend an.
    »Ich gehe nicht eher, bis ich ein paar Antworten bekommen habe«, sagte ich. »Das bin ich Fahle oder Berning schuldig.« »Sie haben nichts begriffen«, sagte sie leise. »Dieser Mann hat sich sein Grab selbst geschaufelt.«
    »Aber ich würde gern mehr begreifen. Angefangen damit, warum man mir den Mord anhängen wollte. Denn so was kann ich nicht leiden.«
    »Ich habe Sie gewarnt, oder? Warum haben Sie nicht auf mich gehört?«
    »Wussten Sie, dass Fahle sterben würde?«
    »Nein.«
    »Komisch. Ich habe noch diese Sätze von Ihnen im Ohr, die Sie in Warendorf gesagt haben: Manchmal wünsche ich mir, sie würden ihn erschießen. Dann wäre ich wenigstens Witwe.«
    »Das habe ich doch nur so dahingesagt.«
    »Ein paar Stunden später war Fahle tot.«
    Sie schnaufte. »Ich war’s nicht.«
    »Aber Sie haben mit ihm telefoniert, kurz vor seinem Tod.«
    Ihr Unterkiefer klappte nach unten. »Woher wissen Sie das?«
    »Es ist mein Job, Dinge herauszufinden.«
    Ein paar Sekunden lang rang sie mit sich. Dann schien sie eine Entscheidung getroffen zu haben. »Ich hatte vor, einen kleinen Spaziergang zu machen. Meine neue Heimat erkunden.«
    »Ist das eine Einladung?«
    Wir gingen schweigend über den Marktplatz bis zum Rand des Hafenbeckens. Ein paar kleine Kähne, deren Glanzzeit lange zurücklag, dümpelten in der grauen Brühe. Auf der Brücke eines Schiffes stand eine Schaufensterpuppe, die wie ein Kapitän verkleidet war. Vielleicht handelte es sich auch um einen Schiffer, der keine Lust hatte, sich zu bewegen.
    »Waren Sie schon einmal in Leer?«, fragte Sanddorn.
    »Nein. Aber es scheint ein ganz netter Ort zu sein.«
    »Ich kenne hier niemanden. Für mich ist es nur eine Stadt mit vier Buchstaben. Wenn ich anrufe und sage, dass Sie mich gefunden haben, wird man mich wahrscheinlich an einen anderen Ort bringen.«
    »Wollen Sie das?«
    »Komischerweise habe ich das Gefühl, dass es nur noch schlimmer werden kann.«
    »Dann rufen Sie nicht an. Von mir wird niemand erfahren, dass ich Ihre neue Adresse kenne.«
    »Warum sollte ich Ihnen vertrauen?«
    »Ich habe Ihrem Mann versprochen, Felizia zu suchen. Daran fühle ich mich gebunden. Ich will Sie nicht in Schwierigkeiten bringen.«
    Sanddorn schaute zu dem Schiffer, bis der sich abwandte und unter Deck verschwand. »Mein

Weitere Kostenlose Bücher