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Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation

Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation

Titel: Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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nicht kitten ließen.
    Zum Glück war Imke wie gewohnt unfreundlich, sodass ich nicht auch noch in Versuchung kam, meiner allzu kurzen Ehe nachzutrauern. Nach einem Abschiedskuss verschwand Sarah in den hinteren Regionen des praktischen Reihenhauses, wo vermutlich Carl, Imkes derzeitiger Ehemann, vor dem Fernseher saß und sich mental auf die nächste Gehaltserhöhung vorbereitete. Ich fragte mich, ob Sarah für ihn ähnliche Gefühle wie für mich empfand, ob ich auch in dieser Beziehung, in der ich ausnahmsweise mal keinen Mist gebaut hatte, ersetzbar war.
    »Ist noch was?«, fragte Imke.
    »Nein«, sagte ich und wandte mich zum Gehen. Dabei bemerkte ich, dass an der Garderobe keine Männerkleidung hing. »Wo ist denn Carl?«
    »Wieso?«
    »Ich habe ihn schon lange nicht mehr gesehen.«
    »Carl ist verreist«, sagte Imke. »Und spar dir bitte deine nächste Frage. Ich kümmere mich auch nicht um deine Sachen.«
    Auf der Straße drehte ich mich noch einmal um. Der Vorgarten wirkte verwildert und hinter einem Fenster im oberen Stockwerk hing eine halb abgerissene Gardine. Das ganze Haus sah ein wenig traurig aus, als hätte es die Hoffnung auf eine bessere Zukunft aufgegeben.
    Der Wagen, der mir bis in die Lüdinghauser Wohnsiedlung gefolgt war, begleitete mich auch wieder zurück ins münstersche Kreuzviertel. Mir war das egal. Zwar fühlte ich mich ausgeruht und munter genug, um meine Ermittlungen im Fall Sanddorn fortzusetzen, doch da ich mir keinen neuen Rechtsbeistand suchen wollte, hielt ich mich an das Versprechen, das ich Franka gegeben hatte, bis Montagmorgen nichts zu unternehmen. Ohnehin musste ich mal wieder ein bisschen Bürokram erledigen.
    So verbrachte ich den Abend damit, Briefe zu beantworten und Rechnungen zu bezahlen. Weil meine legalen Einnahmen in letzter Zeit sehr übersichtlich gewesen waren, schmolz mein positiver Kontostand wie Schnee im Juni.
    Ich ging ins Wohnzimmer, zog das Buch über die chinesische Kulturrevolution aus dem Regal und konnte mir ein triumphierendes Grinsen nicht verkneifen. Podzeys Hausdurchsuchungstruppe hatte das Versteck nicht entdeckt. Ich überlegte, ob ich einen Teil der gut viertausend Euro, die noch übrig waren, auf mein Konto einzahlen sollte, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Sehr wahrscheinlich stammte das Geld aus einem Überfall, wenn nicht gar demselben, der mir den Geldbeutel im Kleiderschrank eingebracht hatte, und falls Podzey davon Wind bekäme, würde er die Einladung dankbar aufgreifen. Deshalb stellte ich Buch und Geld an seinen Platz zurück, abgesehen von ein paar hundert Euro Taschengeld, das ich mir für die nächsten Tage genehmigte.

    Am Montagmorgen fuhr ich mit dem Zug nach Warendorf. Ich hatte mal wieder den Hinterausgang des Hauses genommen und hoffte, dass meine Abwesenheit eine Zeit lang unbemerkt bleiben würde.
    In Warendorf suchte ich einen Mobilfunkladen und bezahlte das billigste Prepaidhandy, das er im Angebot hatte, mit Bargeld. Dann ging ich weiter zu der ehemaligen Wohnung von Henrike Sanddorn. Um die Legende vom Freund der Familie zu wahren, drückte ich zuerst auf Sanddorns Klingel und anschließend auf die des jungen Vaters in der Wohnung nebenan. In beiden Fällen tat sich nichts.
    Als ich gerade die nächste Klingel ausprobieren wollte, sagte eine Stimme hinter mir: »Frau Sanddorn ist ausgezogen.« Der junge Vater, diesmal mit Kinderwagen.
    »So plötzlich?«, gab ich mich überrascht.
    »Letzten Mittwoch.« Er schloss die Haustür auf und ich half ihm, den Kinderwagen in den Hausflur zu schieben. »Sie hat sich nicht mal verabschiedet.« Das klang etwas gekränkt.
    »Und mir hat sie auch nichts gesagt«, stimmte ich deprimiert ein. Vielleicht konnte ich ihn ja auf der Solidaritätsschiene knacken. »Dann wissen Sie bestimmt nicht, wo sie hingezogen ist?«
    »Nein.« Er nahm den schlafenden Säugling aus dem Kinderwagen. »Besonders glücklich schien sie nicht zu sein. Sah ein bisschen nach Flucht aus.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Die Möbelpacker«, er flüsterte fast, »waren nicht echt.«
    »Nein?«
    »Die hatten keine Erfahrung, das merkte man sofort.«
    Ich nickte. Anscheinend hatte er die ganze Zeit hinter der Tür oder am Fenster gestanden. Was man so machte, um als junger Vater den Tag rumzukriegen.
    »Die trugen keine Arbeitskleidung, sondern so unpraktische Blousons, um …«
    »Um was?«, fragte ich.
    Er schaute sich um. »Um ihre Pistolen zu verstecken.«
    »Die trugen Pistolen?«
    »Yep. Ich hab’s

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