Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation
Vorsichtsmaßnahme. Ihre Wohnung könnte verwanzt sein.«
»Guten Abend«, sagte ich. »Geben Sie mir doch beim nächsten Mal Bescheid, wenn Sie kommen. Dann räume ich vorher auf.«
»Reden Sie keinen Scheiß«, knurrte sie. »Ich bin nicht zum Spaß hier.«
»Ich glaube auch nicht, dass wir viel Spaß miteinander haben werden. Ich stehe nicht auf Frauen, die mir dabei eine Pistole an den Kopf halten.«
Sie zögerte.
»Keine Angst«, sagte ich. »Ich werde Ihnen Ihr Spielzeug nicht abnehmen.«
»Okay.« Sie schob die Pistole in den engen Hosenbund. Das sah cooler aus, als es sich anfühlen musste, aber langjähriges Training härtet ja bekanntlich ab. »Haben Sie was von Felizia Sanddorn gehört?«
Von meinem Klositz schaute ich zu ihr auf. »Späte Muttergefühle?«
Einen Moment lang sah es so aus, als würde sie den Duschvorhang abreißen wollen, dann hatte sie sich wieder gefangen. »Wer hat Ihnen gesagt, dass ich Felis Mutter bin?«
»Niemand. Ich bin allein darauf gekommen. Nachdem mir Henrike Sanddorn erzählt hat, dass Felizia bereits zwei Jahre alt war, als Thomas Berning mit dem Kind bei ihr auftauchte. Da ist mir klar geworden, warum Sie keine Skrupel hatten, Felizia in Ihre New Yorker Wohnung zu lassen. Sie wussten, dass Ihre Tochter Sie nicht verraten würde.«
Fuchs setzte sich auf den Rand der Badewanne. »Ich hätte nie gedacht, dass es mich so aus der Bahn schießen würde. Nach dreiundzwanzig Jahren. Steht diese Frau vor mir und sagt Mama. Einfach so. Das hat mich umgehauen. Ich war fix und alle. Wir haben uns in den Armen gelegen und geheult.«
Dabei hatte sie immer gewusst, wo Felizia lebte. Für sie wäre es leicht gewesen, zu ihrer Tochter Kontakt aufzunehmen, für Felizia war es ein schwieriges, riskantes Unterfangen.
Fuchs schien meine Gedanken zu erraten. »All die Jahre habe ich mir eingeredet, es wäre besser für Feli, sie würde nie erfahren, wer ihre richtige Mutter ist. Was konnte ich ihr schon bieten? Ich habe ein Leben mit wechselnden Identitäten geführt, immer bereit, die Zelte abzubrechen und irgendwo anders neu anzufangen, sobald mir jemand zu nahe kam und sich für meine Vergangenheit interessierte. Sicher, es waren auch gute Zeiten dabei. Aber nie habe ich mich auf etwas oder jemanden richtig eingelassen, immer habe ich mir eine Hintertür offen gelassen. Das wollte ich Feli nicht antun.«
»Klingt nach einem ziemlich traurigen Leben.«
»Trauer kannte ich nicht«, sagte Fuchs. »Trauer ist ein Gefühl, das sich Leute wie Sie leisten können.«
»Und wie war das, als Felizia geboren wurde? War Ihnen das Kind egal?«
»Nein. Aber ich habe mich der Gruppe untergeordnet. Die Gruppe hatte entschieden, dass ich Feli abgeben musste. Sie war lästig, sie hat uns behindert, sie hat Zeit und Ressourcen in Anspruch genommen. Man hat mir die großen Schwestern vorgehalten: Gudrun Ensslin ist nach der Geburt ihres Sohnes in den bewaffneten Kampf gegangen, Ulrike Meinhof hat ihre Kinder verlassen. Da durfte ich kleines Licht doch nicht so ein kleinbürgerliches Gefühl wie Mutterliebe in Anspruch nehmen. Wir waren schließlich im Krieg.«
Sie schaute mich an. Mit demselben Blick, der mich im Central Park dazu gebracht hatte, ihr einen Drink in einer Bar vorzuschlagen.
»Sie müssen mir helfen, Wilsberg. Ich will mein Kind nicht noch einmal verlieren.«
»Wenn ich wüsste, wo Felizia ist, würde ich es Ihnen sagen.«
»Vor einer Woche war sie hier irgendwo in der Gegend. Sie hat mich aus einer Stadt namens Gronau angerufen.«
Gronau lag an der holländischen Grenze, rund fünfzig Kilometer von Münster entfernt.
»Was wollte sie da?«
»Sie war sehr aufgeregt«, sagte Fuchs. »Sie redete von einer Verschwörung, in die einflussreiche Leute verwickelt seien. Sie brauche nur noch ein paar Beweise, dann werde sie damit an die Öffentlichkeit gehen. Sie habe einen Kontakt, ein Mann, der in der Nähe von Gronau wohne und bereit sei, ihr diese Beweise zu liefern.«
»Hat sie irgendwelche Details oder Namen genannt?«
»Nein. Ich habe ihr geraten, sich nicht mit diesem Mann zu treffen. Feli hat mich ausgelacht, der Mann sei über siebzig und krebskrank, der wolle mit sich ins Reine kommen, bevor er sterbe. Wir vereinbarten, dass sie mich gleich nach dem Treffen wieder anruft.«
»Und?«, fragte ich.
Fuchs starrte auf die Kacheln an der Wand. »Sie hat nicht mehr angerufen. Offenbar ist sie in eine Falle geraten.«
Ich erzählte ihr von Felizias’ Telefonanruf am
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