Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation
Dienstagabend.
»Das war danach.« Sie sprang auf. »Das heißt, ihr geht es gut.«
»Falls sie es wirklich war und sie nicht gezwungen wurde, mit mir zu telefonieren«, dämpfte ich ihre Euphorie.
Sie stand vor mir und ließ die Schultern hängen. Mit einem schnellen Griff hätte ich ihr die Pistole abnehmen können.
»Könnte Thomas Berning den Mann gekannt haben, mit dem sich Felizia treffen wollte?«, fragte ich.
»Ich habe gelesen, dass er erschossen wurde«, sagte sie dumpf.
»Wo waren Sie eigentlich am Dienstagabend?«
Ich musste den Kopf in den Nacken legen, um ihr verdutztes Gesicht zu sehen.
»Was soll das?«
»In New York haben Sie gedroht, ihn umzubringen.«
Sie beugte sich zu mir herab, bis ihre grauen Augen nur eine Handbreit von meinen entfernt waren. »Ich habe gesagt, dass es Leute gibt, die ihn lieber tot sehen würden. Und damit hatte ich doch recht, oder? Am Dienstagabend war ich übrigens in Belgien. Und fragen Sie jetzt nicht nach einem Alibi, ich habe nie Alibis.« Sie richtete sich auf und ging zum Fenster. »Dass Thomas überhaupt noch am Leben war, hat er mir zu verdanken. Ich habe ihm den Tipp gegeben, rechtzeitig zu verschwinden.«
»Weil er ein Spitzel war?«
»Sieh mal an!« Sie drehte sich um. »Der Superdetektiv hat ja doch was rausgefunden.«
»Eine Vermutung«, gab ich zu.
»Jahrelang war Thomas nur ein Mitläufer. Doch dann hatte er auf einmal Ideen für Anschläge. Er konnte Sprengstoff besorgen und wusste, welche Banken sich für Überfälle eigneten. Angeblich hatte er einen alten Freund wieder getroffen, der inzwischen ein hohes Tier bei der Polizei war. Der Typ sei spielsüchtig und habe jede Menge Schulden, sagte Thomas. Weil Thomas’ Pläne funktionierten, vertrauten wir ihm. Bis diese Geschichte in Gelsenkirchen passierte. Wir brauchten mal wieder Geld und nahmen eine Bank aus. Plötzlich sind die Bullen da, vor dem Gebäude, hinten, einfach überall. Anscheinend hatte es jemand aus der Bank geschafft, die Polizei anzurufen. Wir sitzen fest. No chance, da wieder rauszukommen. Thomas sagt, er regelt das, und ruft seinen Freund an. Fünf Minuten später werden die Bullen auf der Rückseite des Hauses abgezogen und wir können ohne Schwierigkeiten abhauen. Natürlich waren wir erst mal happy und haben Thomas gefeiert. Am nächsten Tag stand in der Zeitung etwas von einer Fahndungspanne. Wir haben uns krankgelacht. Aber Thomas’ Kontakt blieb ungeschoren und konnte weitermachen wie bisher. Einige von uns fanden das seltsam. Welche Macht musste dieser Typ haben, dass er unsere Flucht arrangieren konnte und nicht mal Schwierigkeiten bekam? Wir beschlossen, Thomas bei seinem nächsten Treffen zu observieren. Er fuhr zu einem Hotel in Königswinter und traf sich nicht mit einem, sondern mit drei Männern. Einen davon konnten wir später identifizieren. Er war Abteilungsleiter beim Verfassungsschutz.«
»Was hat Berning dazu gesagt?«
»Als er zurückkam, merkte er sofort, dass etwas nicht stimmte. Er behauptete, sein Kontakt hätte ihn verpfiffen und man habe versucht, ihn als Spitzel anzuwerben. Um nicht verhaftet zu werden, sei er zum Schein darauf eingegangen. Die anderen Genossen taten so, als würden sie ihm glauben. Aber tatsächlich gab es bereits den Plan, Thomas zu erledigen.«
»Haben Sie mal daran gedacht, dass Berning nicht der Einzige bei der RAF gewesen sein könnte, der auf der Lohnliste des Verfassungsschutzes stand?«
»Ja, ja, wir waren Marionetten des Staates.« Sie stampfte wütend auf. »Diese Kacke ist doch schon vor fünfzehn Jahren breitgetreten worden.«
»Deshalb riecht sie heute nicht angenehmer.«
»Ich habe mich nicht verkauft.«
»Schön für Sie. Trotzdem könnten Sie mich jetzt zwei Minuten allein lassen.«
»Was?«
»Ich muss dringend pinkeln. Das musste ich schon, als ich die Wohnung betreten habe. Und bei dem Wasserrauschen platzt mir gleich die Blase.«
Als ich ins Wohnzimmer kam, stand Regina Fuchs am Fenster. Ich stellte mich neben sie und schaute hinaus. Kein Mensch auf der Straße. Meine Leibwache vom Morgen war verschwunden, das Auto der Nachtschicht konnte ich nicht ausmachen.
»Wie sind Sie reingekommen?«, flüsterte ich. »Durch den Vorder- oder Hintereingang?«
»Vorne.«
»Ich werde seit Tagen überwacht. Haben Sie kein Auto mit zwei Personen gesehen?«
»Da war niemand.«
Ich schaute noch einmal nach draußen. Die Straße war sehr leer, selbst für einen Montagabend im November.
Als ich mich zu Fuchs
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