Wilson Cole 05 - Flaggschiff
»Wozu bin ich dann überhaupt hier?«
»Jedenfalls nicht, um sich mit dreißig oder vierzig Bewaffneten anzulegen«, antwortete Cole. »Sobald wir jedoch in dem Studio sind oder wie immer man das nennt, möchte ich, dass Sie die Augen offen halten.«
»Sie denken doch nicht wirklich, dass die Republik hier einen Spion hat?«, fragte sie zweifelnd.
»Nein, nicht nach dem, was hier passiert ist«, sagte Cole. »Aber vergessen Sie nicht: Nach wie vor sind zwanzig Millionen Credits auf mich ausgesetzt. Man muss in diesem Konflikt nicht parteiisch sein, um den Wunsch zu haben, an diese Summe zu gelangen.«
Sie nickte. »Okay, das klingt einsichtig.«
»Ich bin so froh, dass Sie mir zustimmen.« Er öffnete die Luke. »Gehen wir.«
Sie stiegen auf das Dach hinab, wo sie sich etwa fünfzig bewaffneten Männern und Frauen in Straßenkleidung gegenübersahen - was logisch war: Niemand auf diesem Planeten würde noch eine Uniform der Republik anziehen, und sie hatten bislang nicht genug Zeit gehabt, um eigene Streitkräfte aufzustellen und auszurüsten.
Augustus Lake trat vor. »Der berüchtigte Captain Cole«, sagte er zur Begrüßung. »Ist Ihre Assistentin bereit, auf ihre Waffen zu verzichten?«
»Nein«, entgegnete Cole, ehe Walli es in härteren Worten ablehnen konnte. »Sie wird nicht ohne Grund Gebrauch von ihnen machen, aber ich möchte nicht derjenige sein, der sie ihr wegzunehmen versucht.«
Lake blickte zu Walli hinauf, die ihn um dreißig Zentimeter überragte, und zuckte die Achseln. »Wie Sie möchten.
Wir werden einander vertrauen müssen.« Er ging zu einem Luftpolsterlift hinüber. »Folgen Sie mir.«
Cole schloss sich ihm an. Walli schien darauf zu lauern, dass sie auf irgendjemanden schießen konnte, aber niemand muckste sich, und so gesellte sie sich im Aufzug zu ihnen, der daraufhin ein Dutzend Etagen weit nach unten fuhr.
»Wie schlimm war es?«, fragte Cole.
»Schlimmer, als Sie sich hoffentlich vorstellen können«, antwortete Lake. »Da sind wir.«
Sie stiegen aus dem Aufzug und betraten ein großes Zimmer. Es enthielt vielleicht dreißig Stühle, und jeder davon war besetzt. Drei Holokameras hielten sich bereit, und jede davon richtete sich auf Cole und folgte ihm, während er zur Frontseite des Raums ging.
Cole wartete, bis Lake Platz genommen hatte. Walli baute sich gute drei Meter links von Cole auf, die Arme verschränkt, und musterte nacheinander jede Person im Publikum scharf.
»Ich danke Ihnen dafür, dass Sie mir Gelegenheit geben, mich an Sie zu wenden«, leitete Cole seine Ausführungen ein. »Ich kenne die Propaganda, der Sie ausgesetzt waren, seit die Raumflotte und ich unterschiedliche Wege gehen. Ich möchte Ihnen zunächst gern berichten, wie es tatsächlich dazu kam. Jedes Mitglied meiner Besatzung, das damals schon bei mir war, wird dafür bürgen, und das Gleiche täte, falls sie ehrlich ist, Admiral Susan Garcia.
Die Theodore Roosevelt, damals unter dem Kommando Captain Podoks, einer Polonoi der Kriegerkaste, erhielt den Auftrag, den Cassius-Sternhaufen zu patrouillieren. Ich selbst war Erster Offizier. Unser Befehl lautete, große Treibstoffdepots auf zwei Planeten zu schützen, Benidos und New Argentina, und dafür zu sorgen, dass der Treibstoff nicht in die Hand des Feindes fiel.
Eines Tages tauchte in voller Stärke die Fünfte Teroni-Flotte auf, etwa zweihundert Schiffe stark, und nahm Kurs auf Benidos. Unser einzelnes Schiff hatte nicht die geringste Chance, sie abzuwehren. Captain Podok interpretierte unseren Befehl dahingehend, dass der Treibstoff den Teroni um jeden Preis verwehrt bleiben musste.«
Cole unterbrach sich, und die Muskeln an seinem Unterkiefer zuckten, als er an jenen schicksalhaften Tag zurückdachte. »Sie erteilte den Befehl, Benidos lieber zu vernichten, als den Teroni den Treibstoff zu überlassen.
Damit brachte sie drei Millionen Bürger der Republik um.
Anschließend lenkte sie die Theodore Roosevelt nach New Argentina, Heimat von fünf Millionen menschlichen Siedlern, um den Vorgang dort zu wiederholen. Ich konnte nicht zulassen, dass sie dieses Massaker anrichtete, enthob sie des Kommandos und traf eine Vereinbarung mit dem Commander der Fünften Teroni-Flotte: Falls er den Treibstoff an sich nahm, ohne den Bürgern etwas zu tun, würden wir ihn nicht aufzuhalten versuchen und mit New Argentina auch nicht das anstellen, was Podok Benidos angetan hatte. Ich könnte an dieser Stelle einflechten, dass genau dieser
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