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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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mir verlangt, zu glauben, daß ein verantwortungsbewußter Mann wie Mortimer eine Leiche stehlen und eine Kirche schänden würde – man muß es ja nur einmal deutlich aussprechen –, dann sieht man gleich, wie absurd und undenkbar das ist.
    Ich nehme an, daß Lord Peter Wimsey, der dem Vernehmen nach viel mit Verbrechern und Polizisten verkehrt, so etwas für vorstellbar hält. Ich selbst kann darauf nur erwidern, ich nicht. Es tut mir leid, daß sein Verstand gegen jedes Gefühl des Anstands schon so abgestumpft ist. Das wär’s. Guten Tag.»
    Mr. Frobisher-Pym sprang auf.
    «Nun kommen Sie, Burdock, nicht diese Töne. Ich bin sicher, daß Lord Peter keine Unhöflichkeit beabsichtigte. Ich muß zwar sagen, daß er sich in meinen Augen gründlich irrt, aber auf mein Wort, in den letzten Tagen ging es in diesem Dorf so drunter und drüber, daß es mich nicht wundert, wenn jemand auf den Gedanken kommt, es könnte etwas dahinterstecken. So, und nun sollten wir das alles vergessen – und könnten wir dieses entsetzlich kalte Zimmer nicht verlassen? Es ist fast Abendessenszeit. Meine Güte, was soll denn Agatha von uns denken?»
    Wimsey streckte Burdock die Hand hin, der sie widerstrebend nahm. «Entschuldigung», sagte Wimsey. «Wissen Sie, ich leide nämlich an einer Hyperthrophie der Einbildungskraft. Wahrscheinlich eine Schilddrüsenüberfunktion. Nehmen Sie’s nicht ernst. Ich entschuldige mich und so weiter.»
    «Ich finde nicht, Lord Peter», sagte Mrs. Burdock bissig, «daß Sie Ihrer Phantasie auf Kosten des guten Geschmacks nachgeben sollten.»
    Wimsey folgte ihr in einiger Verwirrung aus der Bibliothek. Ja, er war so sehr durcheinander, daß er die Nürnberger Bilderbogen unterm Arm mit hinausnahm, was doch unter den gegebenen Umständen wirklich ein sonderbares Verhalten war.
    «Ich bin zutiefst bestürzt», sagte Mr. Hancock.
    Er war nach dem Sonntagabendgottesdienst zu den FrobisherPyms gekommen und saß aufrecht auf seinem Stuhl, das schmale Gesicht vor Kummer gerötet.
    «Ich hätte so etwas nie von Hubbard geglaubt. Das war für mich ein schmerzlicher Schlag. Es ist nicht nur diese große Schlechtigkeit, einen Leichnam aus dem Gotteshaus selbst zu stehlen, obwohl das schon schwerwiegend genug ist. Hinzu kommt auch noch diese betrübliche Heuchelei seines Betragens – die Verhöhnung geheiligter Dinge –, das Benutzen der heiligen Dienste seiner Religion zur Verfolgung weltlicher Ziele. Er war doch sogar noch bei der Beerdigung, Mr. Frobisher-Pym, und hat dabei alle Zeichen der Trauer und Ehrerbietung an den Tag gelegt! Und selbst jetzt scheint er die Sündigkeit seines Betragens kaum einzusehen. Das tut mir sehr weh, als Priester und als Hirte – wirklich sehr, sehr weh.»
    «Nun, Hancock», meinte Mr. Frobisher-Pym, «Sie sollten da nicht so hart sein. Hubbard ist kein schlechter Kerl, aber Sie können von einem Menschen seiner Klasse keine besondere Feinfühligkeit erwarten. Die Frage ist, was sollen wir da unternehmen? Mr. Burdock muß natürlich Bescheid bekommen. Eine überaus peinliche Situation. Meine Güte! Hubbard hat das ganze Komplott gestanden, sagen Sie? Wie kommt er denn dazu?»
    «Ich habe es ihm auf den Kopf zugesagt», antwortete der Pfarrer. «Als ich mir Lord Peters Bemerkungen noch einmal durch den Kopf gehen ließ, war mir gar nicht wohl in meiner Haut. Mir schien – ich kann nicht sagen, warum –, daß in der Geschichte ein Körnchen Wahrheit stecken könnte, so weit hergeholt sie auch zu sein schien. Es hat mich so beschäftigt, daß ich gestern abend noch eigenhändig den Boden der Jungfrauenkapelle gefegt habe, und da habe ich im Kehricht eine ganz schöne Menge Sägemehl gefunden. Das hat mich dann veranlaßt, nach dem Schlüssel zum Heizungskeller zu suchen, und siehe, den fand ich ein Stückchen abseits in einem Gesträuch – keinen Steinwurf vom Fenster des Heizungskellers entfernt. Ich habe Rat im Gebet gesucht – und bei meiner Frau, auf deren Meinung ich sehr viel gebe, und dann habe ich mich entschlossen, nach der Messe mit Hubbard zu reden. Ich war schon sehr erleichtert, daß er wenigstens nicht zum Abendmahl kam. In meiner Gemütsverfassung hätte ich da doch Skrupel gehabt.»
    «Ganz recht, ganz recht», sagte der Friedensrichter ein wenig ungehalten. «Sie haben es ihm also auf den Kopf zugesagt, und er hat gestanden?»
    «Das hat er. Und leider muß ich sagen, daß er keinerlei Reue an den Tag legte. Gelacht hat er sogar. Es war eine sehr schmerzliche

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