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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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zog den Kopf unter dem Kameratuch hervor. «Ich glaube, das wird jetzt genügen, Sir», sagte er ehrerbietig, «sofern Sie nicht noch weitere Patienten – wenn ich sie so nennen darf – zu registrieren wünschen.»
    «Heute nicht mehr», antwortete der Arzt. Damit nahm er die letzte der unglücklichen Ratten behutsam vom Tisch und setzte sie mit zufriedener Miene in ihren Käfig zurück. «Vielleicht am Mittwoch, wenn Lord Peter freundlicherweise noch einmal Ihre Dienste entbehren könnte –»
    «Wie bitte?» murmelte Seine Lordschaft, indem er die lange, forschende Nase von den in Reih und Glied dastehenden, nicht sehr appetitlich aussehenden Glasgefäßen zurückzog. «Braves Hündchen», fügte er abwesend hinzu. «Wedelt immer mit dem Schwanz, wenn sein Name fällt, wie? Sind das hier Affendrüsen, Hartman, oder eine Südwesterhebung von Kleopatras Zwölffingerdarm?»
    «Wieder die Ahnungslosigkeit in Person, wie?» versetzte der junge Arzt lachend. «Mir brauchen Sie nicht den Einfaltspinsel mit Monokel vorzuspielen, Wimsey. Ich durchschaue Sie. Ich sagte nur eben zu Bunter, ich wäre unendlich dankbar, wenn Sie ihn in drei Tagen noch einmal herkommen lassen könnten, um die Fortschritte fotografisch festzuhalten – falls es welche gibt, heißt das.»
    «Was fragen Sie erst lange?» antwortete Seine Lordschaft.
    «Es ist mir doch stets ein Vergnügen, einem Kollegen behilflich zu sein. Schließlich sind wir beide im selben Geschäft – Mörder zu fangen und so. Alles erledigt? Gut gemacht. Übrigens, wenn Sie diesen Käfig nicht bald mal flicken, geht Ihnen demnächst einer Ihrer Patienten verloren – Nummer fünf. Der vorletzte Draht löst sich langsam – unter freundlicher Assistenz des intelligenten Insassen. Nette Tierchen, wie? Brauchen nie zum Zahnarzt – ich möchte Ratte sein! Draht ist soviel besser für die Nerven als dieser surrende Bohrer.»
    Dr. Hartman stieß einen leisen Schrei aus.
    «Wie haben Sie das nur wieder gemerkt, Wimsey? Ich dachte, Sie hätten den Käfig nicht einmal angeschaut.»
    «Neugierig geboren – durch Übung dazugelernt», sagte Lord Peter gelassen. «Wenn irgendwo etwas verkehrt ist, registriert es das Auge; später kommt dann das Gehirn mit der entsprechenden Warnung hinterher. Gesehen habe ich das schon, als wir hier hereinkamen. Aber begriffen habe ich es erst jetzt. Ich kann nicht behaupten, daß mein Verstand sich unentwegt mit dieser Frage beschäftigt hätte. Zeigt aber immerhin, daß der Patient auf dem Wege der Besserung ist. Alles klar, Bunter?» «Ich hoffe, daß alles zur Zufriedenheit ausgefallen ist, Mylord», antwortete der Diener. Er hatte seine Kamera und Fotoplatten eingepackt und war stillschweigend dabei, in dem kleinen Labor mit der kompakten Einrichtung eines Ozeandampfers die Ordnung wiederherzustellen, die durch das Experiment durcheinandergeraten war.
    «Also, Lord Peter», sagte der Doktor, «ich bin Ihnen und Bunter sehr zu Dank verpflichtet. Ich erhoffe mir von diesen Experimenten bedeutende Erkenntnisse, und Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr mir eine gute Fotoserie dabei von Nutzen sein wird. Ich kann mir so ein Ding nämlich nicht leisten», fuhr er mit Blick auf die herrliche Kamera fort, wobei sein mageres junges Gesicht einen wehmütigen Zug bekam, «und im Krankenhaus kann ich diese Arbeit nicht machen.
    Keine Zeit; muß ja hier sein. Wenn unsereiner leben will, darf er die Praxis nicht vernachlässigen, nicht einmal in Bloomsbury. Es kommt vor, daß ein Krankenbesuch für eine halbe Krone über Auskommen oder Schuldenmachen entscheidet.» «Wie Mr. Micawber schon sagte», erwiderte Wimsey, «‹Einnahmen zwanzig Pfund, Ausgaben neunzehn Pfund, neunzehn Shilling, sechs Pence: Glückseligkeit; Ausgaben zwanzig Pfund, null Shilling, sechs Pence: Elend.› Wälzen Sie sich nicht vor lauter Dankbarkeit im Staub, alter Freund; es gibt für Bunter nichts Schöneres, als mit Pyrogallol und Fixiersalz zu spielen. Da bleibt er außerdem in Übung. Jede Gelegenheit ist uns willkommen. Fingerabdrücke und Kopierarbeiten bedeuten natürlich den siebenten Himmel, aber auch schon das Knipsen skorbutgeplagter Nagetiere ist besser als nichts, wenn kein Verbrechen lockt. Verbrechen sind überhaupt in letzter Zeit rar.
    Wir nagen regelrecht am Hungertuch, nicht wahr, Bunter?
    Weiß nicht, wohin es mit London gekommen ist. Ich muß jetzt schon die Nase in die Angelegenheiten meiner Nachbarn stekken, um nicht zu versauern. Neulich habe ich

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