Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern
drin und kochte. Da hörte ich sie auf einmal schreien, und wie ich hinrannte, lag sie auf dem Boden. Sie konnte mir gar nichts mehr sagen. Wie ich sah, daß sie tot war, bin ich zum Fenster gerannt, und da hab ich den Kerl noch da über das Glasdach flüchten sehen. Ich hab ihm nachgeschrien, aber dann war er schon verschwunden. Da bin ich nach unten gelaufen –»
«Kleinen Moment», sagte der Beamte. «Sagen Sie, Sir, sind Sie nicht auf den Gedanken gekommen, ihm sofort nachzulaufen?»
«Ich hab zuerst nur an sie gedacht», sagte der Mann. «Ich dachte, sie wäre vielleicht gar nicht tot. Ich hab versucht, sie wieder auf die Beine zu kriegen –» Seine Worte endeten in einem Stöhnen.
«Sie sagen, er ist durchs Fenster hereingekommen?» fragte der Polizist.
«Entschuldigung, Konstabler», unterbrach ihn Lord Peter, der im Geiste offenbar eine Bestandsaufnahme von der Kücheneinrichtung machte. «Mr. Brotherton sagte nur, der Mann sei zum Fenster hinaus geflüchtet. Man sollte da ganz genau sein.»
«Das ist doch dasselbe», sagte der Arzt. «Es ist der einzige Weg, auf dem er hereingekommen sein kann. Diese Wohnungen sind nämlich alle gleich. Die Tür zum Treppenhaus führt ins Wohnzimmer, und da war Mr. Brotherton, also kann der Mann nicht auf diesem Weg hereingekommen sein.»
«Und», sagte Peter, «durchs Schlafzimmerfenster ist er auch nicht hereingekommen, sonst hätten wir ihn sehen müssen. Wir waren nämlich im Zimmer darunter. Es sei denn, er hätte sich vom Dach heruntergelassen. War die Tür zwischen Schlaf- und Wohnzimmer offen?» fragte er plötzlich, an Brotherton gewandt.
Der Mann zögerte kurz. «Ja», sagte er schließlich. «Ja, ich bin sicher, sie war offen.»
«Hätten Sie den Mann gesehen, wenn er durchs Schlafzimmerfenster gekommen wäre?»
«Ich hätte ihn einfach sehen müssen .»
«Also bitte, Sir», sagte der Polizist leicht verärgert, «ich denke, Sie lassen lieber mich die Fragen stellen. Man kann ja wohl davon ausgehen, daß so einer nicht durchs Schlafzimmerfenster einsteigt, wo die ganze Straße es sehen kann.»
«Wie klug von Ihnen, daran zu denken», antwortete Wimsey.
«Natürlich nicht. Ist mir gar nicht eingefallen. Dann muß es also dieses Fenster gewesen sein, wie Sie sagen.»
«Und hier sind sogar seine Fußabdrücke auf der Fensterbank», fuhr der Konstabler triumphierend fort, wobei er auf ein paar verwischte Spuren im Londoner Ruß zeigte. «Stimmt. Hier hat er sich am Regenrohr hinuntergelassen, und dann ist er ab über das Glasdach – wozu gehört dieses Dach eigentlich?»
«Zu meinem Labor», sagte der Arzt. «Himmel! Wenn ich mir vorstelle, wie dieser Mordbube, während wir drinnen beim Essen saßen –»
«Ganz recht, Sir», pflichtete der Konstabler ihm bei. «Also, und dann wird er da über die Mauer in den Hof dahinter gestiegen sein. Dort ist er sicher gesehen worden, keine Bange; es dürfte nicht besonders schwer sein, den Kerl zu fassen, Sir. Ich gehe dort gleich mal hin. Also dann, Sir», wandte er sich an Brotherton, «haben Sie irgendeine Vorstellung, wie der Mann ungefähr ausgesehen hat?»
Brotherton hob sein wütendes Gesicht, und der Arzt griff ein.
«Sie sollten wahrscheinlich wissen, Konstabler», sagte er, «daß es schon einmal einen – hm, nicht direkt Mordanschlag, aber es hätte einer daraus werden können – gegen diese Frau gegeben hat, und zwar vor ungefähr acht Wochen durch einen gewissen Marincetti – einen italienischen Kellner – mit einem Messer.»
«Aha!» Der Polizist leckte eifrig seinen Bleistift an. «Kennen Sie die genannte Person?» fragte er Brotherton.
«Das ist der Mann», sagte Brotherton mit konzentrierter Wut.
«Kommt hierher und stellt meiner Frau nach – hol ihn der Teufel! Ich wollte bei Gott, ich hätte ihn hier tot neben ihr liegen!»
«Ganz recht», sagte der Polizist. «Und nun, Sir–» an den Arzt gewandt –, «haben Sie die Waffe, mit der das Verbrechen begangen wurde?»
«Nein», sagte Hartman, «in der Leiche steckte keine Waffe, als ich hinzukam.»
«Haben Sie sie herausgezogen?» fragte der Konstabler jetzt Brotherton.
«Nein», antwortete der. «Er hat sie mitgenommen.»
«… hat die Waffe mitgenommen», trug der Beamte in sein Notizbuch ein. «Puh! Ganz schön warm hier drinnen, finden Sie nicht, Sir?» fügte er hinzu, indem er sich über die Stirn wischte.
«Das ist vermutlich der Gasofen», sagte Peter nachsichtig.
«Ungemein heiße Geschichte, so ein Gasofen mitten im
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