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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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es wurde überhaupt erst in die Röhre geschoben, nachdem die Frau schon tot war … Hastig hineingestellt von einem, der etwas zu verstecken hatte – gräßlich!»
    «Aber aus welchem Grunde, Mylord?»
    «Eben, warum? Das ist der springende Punkt. Noch eine kleine Gedankenverbindung zu dem Hühnchen. Gleich hab ich’s. Moment noch. Rupfen, ausnehmen, waschen, füllen, feststecken – feststecken! Mein Gott!»
    «Mylord?»
    «Kommen Sie, Bunter. Dem Himmel sei Dank, daß wir den Gasherd abgestellt haben!»
    Er stürzte durchs Schlafzimmer, ohne den Arzt und seinen Patienten zu beachten, der mit einem erstickten Aufschrei hochfuhr. Er klappte die Backofentür auf und riß die Bratschüssel heraus. Die Haut des Hühnchens hatte gerade angefangen, sich zu verfärben. Mit einem leisen, triumphierenden Stöhnen packte Wimsey den eisernen Ring, der aus dem Flügel schaute, und riß – den fünfzehn Zentimeter langen Bratspieß heraus.
    In der Tür kämpfte der Arzt mit dem erregten Brotherton. Wimsey packte den Mann, als er sich losriß, und warf ihn mit einem Jiu-Jitsu-Griff in die Ecke.
    «Hier ist die Tatwaffe», sagte er.
    «Beweisen Sie das erst mal, Sie verdammter Schnüffler!» stieß Brotherton wütend hervor.
    «Das werde ich», sagte Wimsey. «Bunter, rufen Sie den Polizisten herein, den Sie vor der Tür finden werden. Doktor, wir brauchen Ihr Mikroskop.»
    In seinem Labor beugte der Arzt sich über das Mikroskop. Auf dem Objektträger befand sich ein Plättchen mit einer dünnen Schicht Blut, das vom Bratspieß stammte.
    «Nun?» fragte Wimsey ungeduldig.
    «In Ordnung», sagte Hartman. «Die Hitze war noch nicht bis in die Mitte gedrungen. Mein Gott, Wimsey – ja, Sie haben recht – runde Korpuskeln, Durchmesser sieben Mikron – Säugetierblut – wahrscheinlich menschlich –»
    «Das Blut der Frau», sagte Wimsey.
    «Das war sehr raffiniert, Bunter», sagte Lord Peter, als sie im Taxi zu seiner Wohnung am Piccadilly fuhren. «Wenn dieser Vogel noch ein bißchen länger gebrutzelt hätte, wären die Blutkörperchen ziemlich sicher nicht mehr zu identifizieren gewesen. Aber das beweist nur wieder einmal, daß ungeplante Verbrechen immer noch am sichersten sind.»
    «Und worin sehen Eure Lordschaft das Motiv des Mannes?»
    «In meiner Jugend», antwortete Wimsey nachdenklich, «hat man immer noch von mir verlangt, die Bibel zu lesen. Das Dumme war nur, daß die Stellen, die mich von allein interessierten, nicht unbedingt die waren, auf die es ihnen ankam. Aber so habe ich das Hohelied ganz schön auswendig gelernt. Schlagen Sie nach, Bunter; in Ihrem Alter kann es Ihnen nicht mehr schaden; da steht etwas sehr Vernünftiges über die Eifersucht.»
    «Ich habe das fragliche Werk auch gelesen, Mylord», erwiderte Mr. Bunter mit leichtem Erröten. «Da steht, wenn ich mich recht erinnere: ‹Ihr Eifer ist fest wie die Hölle.›»

8
 Eine trinkfeste Frage des guten Geschmacks
    «Halte-là! … Attention! … F---e!»
    Der junge Mann im grauen Anzug schlug sich durch den Pulk der protestierenden Gepäckträger und schwang sich behende aufs Trittbrett des Bremserhäuschens, als der Expreß ParisEvreux dampfend die Gare des Invalides verließ. Der Zugführer, auf ein Trinkgeld spekulierend, zog ihn geschickt aus dem Gewühl empor.
    «Ein Glück, daß Monsieur so flink sind», bemerkte er. «Sind Monsieur in Eile?»
    «Ziemlich. Danke. Komm ich durch diesen Gang nach vorn?»
    «Selbstverständlich. Die premières befinden sich zwei Wagen weiter, vor dem Gepäckwagen.»
    Der junge Mann entlohnte seinen Retter, wischte sich den Schweiß von der Stirn und begab sich nach vorn. Als er an dem aufgetürmten Gepäck vorbeikam, stach ihm etwas ins Auge, und er blieb kurz stehen, um es sich genauer anzusehen. Es war ein fast neuer Koffer aus teuer aussehendem Leder mit der auffällig angebrachten Inschrift:
    LORD PETER WIMSEY
 Hôtel Saumon d’Or
 Verneuil-sur-Eure.
    Seine Reiseroute war mit den folgenden Angaben dokumentiert:
    LONDON     –      PARIS
        (Waterloo)       (Gare St. Lazare)
 via Southampton-Havre

    PARIS – VERNEUIL
(Chemin de Fer de l’Ouest)

    Der junge Mann stieß einen leisen Pfiff aus und setzte sich auf eine Reisekiste, um die Sache zu durchdenken.
    Irgendwo war eine undichte Stelle gewesen, und sie waren ihm auf den Fersen. Es machte ihnen auch nichts aus, wer das alles wußte. Es gab Hunderte von Leuten in London und Paris, die den Namen Wimsey kannten, die Polizei beider

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