Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern
nur besonders gut in Form», sagte Peter I.
«Blankes Glück», lachte Peter II.
«Die Probe, die ich vorschlage, meine Herren, sieht Ähnliches vor», fuhr der Comte fort, «wenn es auch nicht gleich so eine Strapaze werden soll. Das heutige Abendessen hat sechs Gänge. Zu jedem Gang werden wir einen anderen Wein trinken, den mein Butler mit verdecktem Etikett hereinbringen wird. Sie werden mir der Reihe nach Ihr Urteil darüber abgeben. Auf diese Weise werden wir vielleicht zu einem Ergebnis kommen, denn selbst der genialste Hochstapler – wovon ich heute abend vermutlich mindestens zwei am Tisch sitzen habe – könnte kaum einen Weinkenner vortäuschen. Wenn ein allzu gewagtes Durcheinander verschiedener Weine zu einem vorübergehenden Unwohlbefinden am nächsten Morgen führen sollte, so werden Sie dies sicherlich im Dienste der Wahrheit ausnahmsweise einmal gern auf sich nehmen.» Die beiden Wimseys verneigten sich.
« In vino veritas » , meinte Mr. Bredon lachend. Er zumindest fühlte sich der Herausforderung gewachsen und sah einige Möglichkeiten auf sich zukommen.
«Da der Zufall und mein Butler Sie an meine rechte Seite plaziert haben, Monsieur», fuhr der Comte, an Peter I gewandt, fort, «bitte ich Sie, den Anfang zu machen, indem Sie mir so genau wie möglich den Wein beschreiben, den Sie soeben getrunken haben.»
«Da braucht man nun wirklich nicht lange zu raten», entgegnete der andere lächelnd. «Ich kann mit Bestimmtheit sagen, daß dies ein sehr angenehmer und wohlgereifter Chablis Moutonne ist; und da zehn Jahre ein ausgezeichnetes Alter für einen Chablis sind – für einen echten Chablis –, plädiere ich für 1916 als den vielleicht besten Weinjahrgang des Krieges in dieser Gegend.»
«Haben Sie dieser Meinung etwas hinzuzufügen, Monsieur?» begehrte der Comte in ehrerbietigem Ton von Peter II zu wissen.
«Ich möchte, was den Jahrgang angeht, nicht dogmatisch erscheinen», sagte der Angesprochene mit kritischer Miene, «aber wenn ich mich festlegen sollte, nun, dann würde ich 1915 sagen, ganz entschieden 1915.»
Der Comte verneigte sich und wandte sich an Bredon.
«Vielleicht möchten auch Sie, Monsieur, eine Meinung äußern», sagte er mit der ausgesuchten Höflichkeit, die oft dem Unbeschlagenen in der Gesellschaft von Fachleuten entgegengebracht wird.
«Ich möchte hier lieber keine Maßstäbe setzen, denen ich hinterher nicht gewachsen bin», antwortete Bredon ein wenig boshaft. «Ich weiß, daß es ein 1915 er ist, weil ich nämlich das Etikett gesehen habe.»
Peter II machte ein leicht betretenes Gesicht.
«Dann werden wir die Angelegenheit künftig besser arrangieren», sagte der Comte. «Entschuldigen Sie mich.» Er entfernte sich, um ein paar Minuten mit seinem Butler zu konferieren, der kurz darauf kam, um die Austern abzutragen und die Suppe zu servieren.
Der nächste Kandidat zur Begutachtung erschien bis zum Hals in Damast gehüllt.
«Nun ist die Reihe an Ihnen, als erster Ihr Urteil abzugeben», sagte der Comte zu Peter II. «Gestatten Sie, daß ich Ihnen zuvor eine Olive anbiete, um den Geschmack zu neutralisieren. Nur nichts übereilen, ich bitte Sie. Auch zu den höchsten politischen Zwecken sollte man einen guten Wein nicht ohne Respekt behandeln.»
Die Zurechtweisung war nicht unnötig, denn nach dem ersten Schlückchen hatte Peter II einen kräftigen Zug von dem edlen, schweren Weißwein genommen. Unter dem spöttischen Blick von Peter I welkte er sichtlich dahin.
«Es ist – es ist ein Sauterne», begann er und unterbrach sich. Bredons Lächeln gab ihm aber neuen Mut, und so sagte er jetzt mit mehr Selbstsicherheit: «Château Iquem, 1911 – die Königin der Weißweine, Sir, wie mal irgendwer gesagt hat.» Damit leerte er trotzig sein Glas.
Das Gesicht des Comte sprach Bände, als er langsam seinen faszinierten Blick von Peter II ab – und Peter I zuwandte.
«Wenn sich schon jemand für mich ausgibt», murmelte letzterer sanft, «wäre es schmeichelhafter für mich gewesen, wenn diesen Versuch jemand unternommen hätte, für den ein Weißwein nicht wie jeder andere ist. Also, Sir, dieser bewundernswerte Jahrgang ist natürlich ein Montrachet – äh – Augenblick –» er ließ den Wein genießerisch auf der Zunge umgehen – «1911. Und es ist ein vorzüglicher Wein, obgleich ich bei allem Respekt vor Ihnen, Monsieur le Comte, finde, daß er vielleicht ein wenig zu süß ist, um seinen augenblicklichen Platz im Menü einzunehmen. Gewiß ist
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