Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern
zu diesem ausgezeichneten consommé marmite ein lieblicherer Wein nicht ganz fehl am Platz, aber nach meiner bescheidenen Ansicht wäre er bei den confitures noch besser zur Geltung gekommen.»
«Bitte», sagte Bredon unschuldig, «da sieht man wieder, wie man sich irren kann. Hätte ich nicht den Vorteil, Lord Peters Expertenmeinung gehört zu haben – denn gewiß hat niemand, der einen Montrachet mit einem Sauterne verwechselt, Anrecht auf den Namen Wimsey –, so hätte ich diesen Wein nicht für einen Montrachet-Aîné gehalten, sondern für einen ChevalierMontrachet aus demselben Jahr, der ein wenig süßer ist. Aber zweifellos erscheint er einem, wie Eure Lordschaft sagen, dadurch, daß wir ihn zu dieser Suppe trinken, etwas süßer, als er in Wirklichkeit ist.»
Der Comte sah ihn scharf an, sagte aber nichts dazu.
«Nehmen Sie noch eine Olive», sagte Peter I freundlich. «Man kann einen Wein nicht beurteilen, wenn man noch einen andern Geschmack im Mund hat.»
«Heißen Dank», sagte Bredon. «Dabei fällt mir ein –» und damit gab er eine ziemlich witzlose Geschichte über Oliven zum besten, die sich über die Suppe hinzog und die Pause bis zum Auftragen einer ausgezeichnet zubereiteten Seezunge überbrückte.
Der Blick des Comte folgte ziemlich nachdenklich der hellbernsteingelben Flüssigkeit, die jetzt in die Gläser perlte. Bredon hob das seine auf die bewährte Weise unter seine Nase, und eine leichte Röte huschte über sein Gesicht. Nach dem ersten Schlückchen wandte er sich aufgeregt an seinen Gastgeber.
«Mein Gott, Sir–» begann er.
Die mahnend erhobene Hand ließ ihn verstummen.
Peter I nippte, sog die Luft ein, nippte erneut, und seine Stirn umwölkte sich. Peter II hatte inzwischen offenbar alle Ansprüche aufgegeben. Er trank durstig, strahlte und schien die Wirklichkeit vergessen zu haben.
« Eh bien, monsieur? » fragte der Comte liebenswürdig.
«Es ist mit Bestimmtheit ein Rheinwein», sagte Peter I, «und zwar der edelste, den ich je gekostet habe, aber ich muß gestehen, daß ich ihn im Augenblick nicht ganz plazieren kann.»
«Nein?» sagte Bredon. Seine Stimme war jetzt wie Bohnenblütenhonig, süß und harsch zugleich. «Und der andere Herr auch nicht? Dabei könnte ich diesen Wein auf ein paar Meilen genau lokalisieren, obschon ich sagen muß, daß ich ihn in dieser Zeit nicht in einem französischen Keller zu finden erwartet hätte. Es ist, wie Eure Lordschaft sagen, ein Rheinwein, und zwar ein Johannisberger. Nicht der plebejische Vetter, sondern der echte Schloß Johannisberger von den schloßeigenen Weinbergen. Er muß Eurer Lordschaft – sehr zu Ihrem Schaden – während des Krieges entgangen sein. Mein Vater hat noch ein paar Flaschen aufgelegt, bevor er starb, aber anscheinend waren die herzoglichen Keller in Denver nicht so gut ausgestattet.»
«Diesem Mißstand soll schnellstens abgeholfen werden», sagte der übriggebliebene Peter entschlossen.
Das poulet wurde serviert, begleitet von einem Streitgespräch über den Lafitte, den Seine Lordschaft auf 1878 datierte, während Bredon auf der Ansicht beharrte, er sei ein Restbestand des glorreichen 75 er Jahrgangs, ein wenig überreif, aber sowohl seinem hohen Alter als auch seinem edlen Stammbaum zur Ehre gereichend.
Beim Clos-Vougeôt bestand hingegen völlige Einigkeit; nach einer ersten vorsichtigen Datierung auf das Jahr 1915 erklärte Peter I ihn schließlich zu einem Vertreter des ebenso herrlichen, wenn auch ein wenig leichteren Jahrgangs 1911. Unter allgemeinem Applaus wurde das pré-salé abgetragen und das Dessert serviert.
«Ist es eigentlich nötig», meinte Peter I mit einem sanften Lächeln in Richtung Peter II – der jetzt nur noch selig vor sich hin lallte: «Verdammt guter Wein, verdammt gutes Essen, verdammt schöner Abend» – «ist es wirklich nötig, diese Farce in die Länge zu ziehen?»
«Eure Lordschaft werden sich doch der weiteren Diskussion gewiß nicht entziehen wollen?» erwiderte der Comte.
«Die Sache ist doch wohl hinreichend geklärt.»
«Aber einem Gespräch über Wein wird sicher niemand aus dem Weg gehen», meinte Bredon, «am wenigsten so ein großer Kenner wie Eure Lordschaft.»
«Bei diesem Wein doch», sagte der andere. «Ehrlich gesagt, ich kann nicht viel damit anfangen. Er ist süß und beißend, zwei Eigenschaften, die ihn in den Augen – vielmehr im Mund – des Kenners abqualifizieren. Hatte Ihr verehrter Herr Vater diesen Wein vielleicht auch im Keller,
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