Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
zu Ihrem Kriegsministerium zurück und berichten Sie, daß ich Ihnen die Formel nicht gebe. Sollte es zwischen unseren Ländern – was Gott verhüte! – zu einem Krieg kommen, so werden Sie mich auf der Seite Frankreichs finden. Das ist mein letztes Wort, Mylord.»
    Wimsey verneigte sich.
    «Sir», sagte er, «meine Mission ist allem Anschein nach fehlgeschlagen. Darüber freue ich mich. Dieses Geschäft mit der Vernichtung ist ja doch ein schmutziges Geschäft. Schließen wir die Tür hinter diesen beiden Herren, die weder Fisch noch Fleisch sind, und trinken wir den Cognac in der Bibliothek zu Ende.»

9 Das gelehrte Abenteuer mit dem Drachenhaupt
    «Onkel Peter!»
    «Momentchen, Gherkins. Nein, ich glaube, ich nehme den Catull doch nicht, Mr. Ffolliott. Dreizehn Guineen für ein Buch ohne Titelblatt und letzten Folio sind doch ein bißchen happig, wie? Aber Sie könnten mir den Vitruvius und das Satyricon mal rüberschicken, wenn sie da sind; die möchte ich mir jedenfalls ansehen. So, mein junge, was gibt’s?»
    «Komm doch mal und guck dir die Bilder an, Onkel Peter.
    Das ist bestimmt ein furchtbar altes Buch.»
    Lord Peter Wimsey tastete sich seufzend aus Mr. Ffolliots düsterem Lagerraum, der mit dem Strandgut etlicher Bibliotheken übersät war. Ein unerwarteter Masernausbruch in Mr. Bultridges ausgezeichnetem Internat, der zufällig mit einer Europareise des Herzogs und der Herzogin von Denver zusammenfiel, hatte Seiner Lordschaft die Betreuung seines zehnjährigen Neffen, des Vicomte St. George, besser bekannt als Junker Jerry, Jerrykins oder Gherkins – «Gürkchen» –, auf die Schultern geladen. Lord Peter gehörte nicht zu jenen geborenen Onkeln, die alte Ammen mit ihrem faszinierenden «Sinn für Kinder» entzücken. Eine gewisse Toleranz zu ehrenhaften Bedingungen verdiente er sich jedoch dadurch, daß er die Jugend mit der gleichen peniblen Höflichkeit behandelte, die er auch Erwachsenen angedeihen ließ. Folgerichtig wappnete er sich nun, «Gürkchens» Entdeckung mit dem ihr gebührenden Respekt zu begutachten, obschon natürlich dem Geschmack von Kindern keineswegs zu trauen war und das Buch sich als ein scheußliches Sammelsurium von verschwommenem Mezzotinto oder als ein minderwertiger moderner Nachdruck, angereichert mit leprakranken Klischees, entpuppen konnte. Etwas Besseres war in der dem Straßenstaub ausgesetzten FünfShilling-Auslage eigentlich nicht zu erwarten.
    «Onkel! Da ist so ein komischer Mann drin, mit furchtbar langer Nase und Ohren und einem Schwanz und lauter Hundeköpfen am Körper. Monstrum hoc Cracoviae – das ist doch ein Ungeheuer, nicht? Ja, es ist sicher eins. Aber was heißt Cracoviae, Onkel Peter?»
    «Oh», sagte Lord Peter sehr erleichtert. «Das Krakauer Monster?» Ein Abbild dieser scheußlichen Mißgeburt ließ immerhin auf ein achtbares Alter schließen. «Laß mich mal sehen. Ja, ganz recht, das ist ein sehr altes Buch – Münsters Cosmographia universalis. Freut mich, daß du einen Blick dafür hast, ob etwas gut ist, Gherkins. Aber was tut Münsters Cosmographia hier draußen zwischen der Ramschware, Mr. Ffolliott?»
    «Nun, Mylord», antwortete der Buchhändler, der seinen Kunden zur Tür gefolgt war, «Sie sehen ja, in welch schlechtem Zustand sie ist; die Umschlagdeckel sind lose, und die doppelseitigen Karten fehlen fast alle. Das Buch haben wir vor ein paar Wochen hereinbekommen – mit einer ganzen Sammlung, die wir von einem Herrn aus Norfolk gekauft haben, Dr. Conyers von Yelsall Manor. Natürlich könnten wir das Buch behalten und versuchen, eine komplette Ausgabe zusammenzustellen, falls wir noch ein zweites Exemplar hereinbekommen sollten. Aber wie Sie wissen, ist das ja nicht so ganz unser Gebiet – wir haben uns auf klassische Autoren spezialisiert. Darum haben wir es einfach ins Regal gestellt und verkaufen es für das, was es gewissermaßen im status quo einbringt.»
    «Ach, guck doch mal!» rief Gherkins dazwischen. «Da ist ein Bild von einem Mann, der in kleine Stücke gehackt wird. Was steht denn dabei?»
    «Ich denke, du kannst Latein.»
    «Na ja, aber da sind lauter so komische Schnörkel drin. Was bedeuten die?»
    «Das sind nur Zusammenziehungen», gab Lord Peter geduldig Auskunft. «‹ Solent quoque hujus insulae cultores › – Es ist bei den Bewohnern dieser Insel der Brauch, ihre Eltern, wenn sie vom Alter gebeugt und zu nichts mehr nütze sind, auf den Markt zu bringen und an die Kannibalen zu verkaufen, die sie töten

Weitere Kostenlose Bücher