Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern
Mr. Bredon?» Bredon schüttelte den Kopf.
«Nein», sagte er, «nein. Echter kaiserlicher Tokayer ist für einen Schreiberling leider unerschwinglich. Aber ich gebe Ihnen recht, daß er sehr überbewertet wird – mit allem schuldigen Respekt vor Ihnen selbst, Monsieur le Comte.»
«In diesem Falle», sagte der Comte, «werden wir gleich zum Likör übergehen. Ich gestehe, daß ich die beiden Herren mit einem örtlichen Produkt verblüffen wollte, doch da der eine Bewerber offenbar die Waffen gestreckt hat, soll es Cognac sein – das einzige, was eine gute Weinfolge gebührend abschließt.»
Unter leicht verlegenem Schweigen wurden die großen, runden Schwenker auf den Tisch gestellt und die wenigen kostbaren Tropfen vorsichtig eingeschenkt und in eine leichte Drehbewegung versetzt, um das Bouquet freizusetzen.
«Das», sagte Peter I, nun wieder ganz liebenswürdig, «ist wahrhaftig ein wunderbarer alter französischer Cognac. Schätzungsweise ein halbes Jahrhundert alt.»
«Eure Lordschaft lassen in diesem Lob die Begeisterung missen», versetzte Bredon. «Das ist der Cognac – der Cognac aller Cognacs –, der herrliche, unvergleichliche, echte Napoleon. Man sollte ihn als den Kaiser ehren, der er ist.»
Er erhob sich, seine Serviette in der Hand.
«Sir», sagte der Comte, an ihn gewandt, «ich habe zu meiner Rechten einen bewundernswerten Weinkenner sitzen, aber Sie sind einzigartig.» Er winkte stumm dem Butler, der die leeren Flaschen feierlich an den Tisch brachte und enthüllte, vom bescheidenen Chablis bis zum stattlichen Napoleon mit dem in die Flasche geblasenen kaiserlichen Siegel. «Jedesmal haben Sie Lage und Jahrgang richtig bestimmt. Es gibt sicher kein halbes Dutzend Männer mit einem Gaumen wie dem Ihren auf der ganzen Welt, und ich dachte bisher, nur einer davon sei Engländer. Wollen Sie uns jetzt nicht mit Ihrem richtigen Namen beehren?»
«Sein Name spielt überhaupt keine Rolle», sagte Peter I. Er war aufgestanden. «Hände hoch, alle! Comte, die Formel!»
Bredon, der in der einen Hand noch immer die Serviette hielt, riß ruckartig die Hände hoch. Die weißen Falten spien Feuer, und das Geschoß traf den Revolver des andern genau zwischen Lauf und Abzug, wobei sich sehr zum Schaden des gläsernen Kerzenhalters der Schuß löste. Peter I schüttelte seine gelähmte Hand und fluchte.
Bredon hielt die Pistole auf ihn gerichtet, ohne dabei Peter II aus den wachsamen Augen zu lassen, dessen rosarote Visionen sich durch den Knall in nichts aufgelöst hatten und nach und nach seiner früheren Aggressivität Platz machten.
«Da die Abendgesellschaft einen etwas lebhaften Verlauf zu nehmen scheint», meinte Bredon, «wären Sie vielleicht so liebenswürdig, Comte, diese beiden Herren auf weitere Schußwaffen zu untersuchen. Danke. So, und nun könnten wir uns eigentlich alle wieder hinsetzen und die Flasche kreisen lassen.»
«Sie – Sie sind –» knurrte Peter I.
«Oh, mein Name ist wirklich Bredon», entgegnete der andere gutgelaunt. «Ich habe etwas gegen Pseudonyme. Sie sind so etwas wie die Kleider eines andern, wissen Sie – wollen nie so recht passen. Peter Death Bredon Wimsey – ein bißchen lang und so, aber ganz praktisch, wenn man ihn in Raten benutzt. Auch ich habe einen Paß und alle diese Sachen, aber da deren Reputation hier gewissermaßen etwas lädiert war, habe ich sie nicht vorgewiesen. Für die Formel gebe ich Ihnen, glaube ich, besser einen persönlichen Scheck von mir – mit Noten der Bank von England scheint hier jeder um sich werfen zu können. In meinen Augen ist diese ganze Geheimdiplomatie sowieso ein Fehler, aber das ist Sache des Kriegsministeriums. Ich nehme an, wir haben alle die gleichen Beglaubigungsschreiben bei uns. Eben, dachte ich mir doch. Da scheint sich irgendein schlaues Kerlchen sehr erfolgreich auf zwei Märkten gleichzeitig verkauft zu haben. Aber Sie beide müssen ja wirklich aufregende Zeiten hinter sich haben – jeder in dem Glauben, der andere sei ich.»
«Mylord», sagte der Comte traurig, «diese beiden Männer sind oder waren vermutlich Engländer. Es liegt mir nichts daran, zu wissen, welche Regierungen ihren Verrat gekauft haben. Aber wo sie stehen, da stehe leider, leider auch ich. Gegenüber unserer käuflichen, korrupten Republik empfinde ich als Royalist keinerlei Treueverpflichtung, aber es nagt an meinem Herzen, daß ich mich von meiner Armut dazu habe hinreißen lassen, mein Heimatland an England zu verkaufen. Fahren Sie
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