Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
Stirn, Hornbrille und gewinnendem Auftreten.
    «Sie werden meine Zudringlichkeit hoffentlich entschuldigen», begann er. «Wahrscheinlich falle ich Ihnen furchtbar lästig. Aber ich habe Ihre Anschrift Mr. Ffolliott entlockt. Eigentlich ist das aber gar nicht seine Schuld. Sie sind ihm deswegen hoffentlich nicht böse. Ich habe den Ärmsten regelrecht geplagt. Hab mich auf seine Türschwelle gesetzt und mich geweigert, fortzugehen, obwohl der Lehrjunge schon die Läden schloß. Und ich fürchte, wenn Sie erfahren, worum es geht, werden Sie mich erst recht albern finden. Aber Sie dürfen dem armen Mr. Ffolliott wirklich nicht böse sein, nein?»
    «Keineswegs», sagte Seine Lordschaft. «Ich meine, es freut mich sehr und so weiter. Kann ich in puncto Büchern irgend etwas für Sie tun? Sind Sie vielleicht Sammler? Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?»
    «Nein, nein», antwortete Mr. Pope mit verschämtem Kichern.
    «Ein Sammler bin ich nicht direkt. Herzlichen Dank, aber nur ein Schlückchen – nein, das mit dem Schlückchen meine ich ganz wörtlich. Danke; nein –» er blickte sich im Zimmer um, dessen Regale von prachtvollen Ledereinbänden nur so überquollen –, «ein Sammler bin ich ganz gewiß nicht. Aber ich habe ein gewisses Interesse – ein rein sentimentales Interesse – an einem Buch, das Sie gestern erworben haben. Es handelt sich um eine Kleinigkeit. Sie werden es albern finden. Aber wie ich höre, sind Sie der gegenwärtige Besitzer einer Ausgabe von Münsters Cosmographia, die einmal meinem Onkel, Dr. Conyers, gehörte.»
    Gherkins sah unvermittelt auf, denn das Gespräch streifte seine höchstpersönlichen Interessen.
    «Nun, das stimmt so nicht ganz», sagte Wimsey. «Ich war zwar dabei, aber der eigentliche Käufer ist mein Neffe. Gerald, Mr. Pope interessiert sich für deine Cosmographia. Mein Neffe, Lord Saint George.»
    «Guten Tag, junger Mann», sagte Mr. Pope liebenswürdig.
    «Ich sehe, der Sammlergeist steckt in der Familie. Und obendrein ein großer Lateiner, wie? Kann jurisjurandum aus dem Stegreif deklinieren, was? Haha! Und was willst du einmal werden, wenn du groß bist? Lordkanzler sicher, oder? Aber nein, ich wette, du möchtest lieber Lokomotivführer werden, nicht?»
    «Nein danke», sagte der Vicomte von oben herab.
    «Was, kein Lokomotivführer? Hm, nun ja, im Moment sollst du dich auch nur als tüchtiger Geschäftsmann zeigen. Bei einem Buchverkauf. Dein Onkel wird schon darauf achten, daß ich dir einen fairen Preis biete, wie? Haha! Also, nun paß mal auf. Dieses Bilderbuch, das du da hast, hat für mich einen großen Wert, den es sonst für niemanden hat. Als ich noch ein Junge in deinem Alter war, gehörte es nämlich zu meinen allergrößten Freuden. Sonntags habe ich es mir immer geholt und angesehen. Ach Gott, ja! Wie viele glückliche Stunden habe ich über diesen merkwürdigen alten Stichen zugebracht, und den komischen alten Karten mit den Schiffen und Salamandern und ‹ Hic dracones › – du weißt vermutlich, was das heißt, wie? Na, was heißt es denn?»
    «Hier sind Drachen», antwortete der Vicomte unwillig, aber noch höflich.
    «Ganz recht. Ich wußte doch, daß du ein Gelehrter bist.»
    «Es ist ein sehr schönes Buch», sagte Lord Peter. «Mein Neffe war ganz hingerissen von dem berühmten Krakauer Monster.»
    «Ach ja – ein prächtiges Monster, nicht?» pflichtete Mr. Pope ihm begeistert bei. «Wie oft habe ich mich als Sir Lancelot oder irgendwer sonst auf einem weißen Schlachtroß sitzen sehen, die Lanze eingelegt und das Ungeheuer angreifend, während die gefangene Prinzessin mir zujubelte. Ach ja, die Kindheit! Du durchlebst zur Zeit die glücklichsten Jahre deines Lebens, junger Mann. Du glaubst es mir sicher nicht, aber es ist so.»
    «Und was wünschen Sie nun eigentlich genau von meinem Neffen?» fragte Lord Peter ein wenig scharf.
    «Sehr richtig, sehr richtig. Also, wie Sie ja wissen, hat mein Onkel, Dr. Conyers, vor ein paar Monaten seine Bibliothek verkauft. Ich war um diese Zeit gerade im Ausland, und erst gestern, als ich ihn in Yelsall besuchen wollte, erfuhr ich, daß auch das geliebte alte Buch mit allen andern zusammen fortgegeben wurde.
    Ich kann Ihnen nicht sagen, wie bestürzt ich war. Ich weiß, daß es nicht wertvoll ist – viele Seiten fehlen und so weiter –, aber ich ertrage den Gedanken nicht, daß es fort sein soll. Da bin ich also, aus reiner Sentimentalität, wie gesagt, sofort zu Ffolliott gerannt, um es

Weitere Kostenlose Bücher