Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde
Bolschewiken waren.«
»Ein Mehrheitsentscheid genügt«, sagte der Untersuchungsrichter. »Verstehe ich recht, daß die Mehrheit für Selbstmord stimmt?«
»Ja, Sir. Ich hab’s dir ja gesagt, Jim Cobbley«, fügte der Obmann in durchdringendem Flüsterton hinzu.
»Dann lautet also Ihre Entscheidung, daß der Verstorbene sich selbst die Kehle durchgeschnitten hat und daran gestorben ist.«
»Ja, Sir.« (Weitere Beratungen.) »Wir möchten noch hinzufügen, Sir, daß wir finden, die Polizeivorschriften für Ausländer müßten sozusagen mal verschärft werden, und der Verstorbene war ja auch Ausländer, und Selbstmord und Mord sind gar nicht gut für einen Ort, wo im Sommer so viele Besucher hinkommen.«
»Das kann ich nicht zulassen!« begehrte der geplagte Untersuchungsrichter auf. »Der Verstorbene war eingebürgerter Engländer.«
»Das ändert gar nichts.« Der Geschworenenobmann ließ sich nicht beirren. »Wir finden, daß die Vorschriften trotzdem mal verschärft gehören, und das sagen wir alle. Schreiben Sie das ruhig auf, Sir, denn das ist unsere Meinung.«
»Na bitte«, sagte Wimsey, »das ist das Holz, aus dem man Imperien schnitzt. Wenn das Empire zur Tür hereinkommt, entweicht die Logik durch das Fenster. Tja, das ist dann jetzt wohl alles. Sagen Sie, Inspektor –«
»Ja, Mylord?«
»Was wird jetzt aus diesem Papierfetzen?«
»Weiß ich auch noch nicht, Mylord. Meinen Sie, daß damit etwas anzufangen ist?«
»Ja. Schicken Sie’s zu Scotland Yard und bitten Sie, man soll die spektrologischen Experten darauf ansetzen. Mit Farbfiltern kann man eine Menge machen. Lassen Sie sich mit Chefinspektor Parker verbinden – der sorgt dafür, daß es in die richtigen Hände kommt.«
Der Inspektor nickte.
»Wird gemacht. Ich bin sicher, daß in diesem Stück Papier etwas für uns drinsteckt. Wir müssen es nur herausbringen. Ich weiß nicht, ob ich schon einmal eine verbogenere Geschichte erlebt habe. Das Ganze sieht so klar nach Selbstmord aus, wie man es sich nur wünschen könnte, wenn nur diese ein, zwei Punkte nicht wären. Und dabei sind diese Punkte, wenn man sie einzeln betrachtet, völlig harmlos. Da ist dieser Bright. Ich dachte schon, wir hätten ihn bei der einen Sache erwischt. Aber bitte sehr! Mir ist schon aufgefallen, daß neun von zehn von diesen Landratten keinen Schimmer haben, ob Ebbe oder Flut ist oder wo das Wasser überhaupt steht. Ich bin genau wie Sie überzeugt, daß er gelogen hat – aber man kann von den Geschworenen nicht verlangen, daß sie einen aufhängen, nur weil er Hochwasser nicht von Niedrigwasser unterscheiden kann. Wir werden zwar versuchen, den Burschen im Auge zu behalten, aber wie wir ihn hier festhalten sollen, weiß ich nicht. Der Spruch lautet auf Selbstmord (was uns auf eine Art sehr gelegen kommt), und wenn Bright weiterziehen will, können wir ihn nicht hindern. Sonst müßten wir uns bereit erklären, seinen Aufenthalt hier auf unbegrenzte Zeit zu bezahlen, und das wiederum wäre nicht im Sinne der Steuerzahler. Eine feste Adresse hat er nicht, und bei seinem Gewerbe ist das ja auch nicht zu erwarten. Wir werden ein Rundschreiben losschicken und bitten, ein Auge auf ihn zu haben, aber mehr können wir gar nicht tun. Und seinen Namen kann er natürlich auch wieder ändern.«
»Muß er nicht stempeln gehen?«
»Nein.« Der Inspektor schnaubte durch die Nase. »Er sagt, er ist ein freiheitsliebender Mensch und will von keinem abhängig sein. Das ist an sich schon verdächtig, würde ich sagen. Außerdem – er wird ja diese Belohnung vom Morning Star abholen und würde eine Zeitlang gar keine Arbeitslosenunterstützung nötig haben. Aber wir können ihn trotz Belohnung nicht zwingen, auf eigene Kosten in Wilvercombe zu bleiben.«
»Nehmen Sie Mr. Hardy mal beiseite und sehen Sie zu, ob die Zeitung die Belohnung nicht noch ein Weilchen zurückhalten kann. Wenn er dann nicht kommt, um sie abzuholen, wissen wir mit Sicherheit, daß mit ihm etwas nicht stimmt. Verachtung für Geld, Inspektor, ist die Wurzel – oder jedenfalls ein sicheres Kennzeichen – allen Übels.«
Der Inspektor grinste.
»Da sind wir ganz einer Meinung, Mylord. Wenn einer nicht nimmt, was er kriegen kann, ist etwas faul mit ihm. Sie haben recht. Ich werde mit Mr. Hardy reden. Und ich will versuchen, Bright zu bewegen, daß er noch ein paar Tage hierbleibt. Wenn er Dreck am Stecken hat, wird er nicht versuchen, sich aus dem Staub zu machen, schon aus Angst, das könnte verdächtig
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